Das Grosse Evangelium Johannes: Band 5
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
Ev. Matth. Kap. 16 (Fortsetzung)
- Kapitel 76 -
Die Freiheit des menschlichen Willens
Sagt Roklus: ,,Ja, Herr und Meister über alle Dinge, wenn wir nur das als Wunder effektuieren können, was Du allein willst, und zwar alles in Deiner ganzen urweltlich-natürlichen, ewigen Ordnung, da ist uns ja unser eigener freier Wille rein zu nichts, und mit den hie und da doch sehr nötigen Wundern als den besten und wirksamsten Beweisen für die Macht und Kraft Deines Namens wird es dann gar sehr mager auf der Erde auszusehen anfangen!
2
Deines Willens Wunder geschehen Tag für Tag ohnehin, ob wir mit wollen oder nicht, und unser Wille ist gegen den Deinen allzeit gleich einer barsten hohlen Nuß. Die Sonne, der Mond und die Sterne gehen auf und unter ohne unsern Willen; und ebenalso grünet die Erde und bringt ihre Früchte; und die Wolken ziehen, und die Winde spielen mit den Wogen des Meeres; und es wird Winter und Sommer, und die Zeiten vergehen und kommen nimmer wieder, ganz ohne unsern Willen! Ob wir nun das mit wollen oder nicht, so ist das einerlei! Aber wie sieht es dann mit den oft auch notwendigen besonderen Wundern aus?"
3
Sage Ich: ,,Ja, lieber Roklus, mit dir ist noch immer ein wenig schwer zurechtzukommen, weil in deinem Gemüte noch zu viele irdische An- und Rücksichten walten!
4
Siehe, wer seine Hände an den Pflug legt und dabei nach rückwärts schaut, der ist noch nicht geschickt zum Reiche Gottes! Meinst denn du, daß Gott in Seinem hellsten Denken und Wollen etwa auch so einförmig und eintönig ist wie das starre Eis des Nordens?
5
O Mensch, erkenne erst Gott recht und Seinen allmächtigen Willen, und du wirst dann schon auch erkennen, ob ein Mensch, dessen Herz voll des Geistes aus Gott ist, nichts anderes mehr wollen und tun kann, als bloß nur so ganz stumm und geduldig mit dem ewigen Willen Gottes einen Tag um den andern werden und vergehen zu lassen und ganz glückselig zuzusehen, wie die verschiedenen Kräuter wachsen und blühen und dann wieder verdorren!
6
Wenn es Gott mit den Menschen nur um das zu tun gewesen wäre, so hätte Er ihnen nie einen eigenen Willen zu geben vonnöten gehabt, sondern Er hätte sie bloß nur den Meerespolypen gleich, wenn auch in Menschenform, wie die Pilze aus der Erde herauswachsen lassen können mit im Erdboden haftenden Saug- und Nährwurzeln; diese hätten dann gleich Tag und Nacht können zusehen, wie die Sterne nach dem Willen Gottes wenigstens dem Anscheine nach auf- und untergehen, und wie schön das Gras um sie herum wächst! Eine freie, ortsveränderliche Bewegung wäre ihnen gar nicht nötig; denn einen eigenen Willen hätten sie ja ohnehin nicht, und den stets gleichen und stereotpyen Willen Gottes könnten sie als Statuen noch um vieles besser durch sich gehen und walten lassen als irgendein noch so frommer und gottergebener Mensch mit seinem Willen!
7
Denn einem Menschen, der denn doch immer noch einen eigenen Willen und eine freie Bewegung hat, kann es ja doch noch bei aller seiner Ästhetik einmal in den Sinn kommen, einige Schritte über einen schönen Grasboden zu machen; und wie unvermeidlich muß er da das nach dem Willen und nach der ewigen Ordnung Gottes aufrecht gewachsene und stehende Gras zu Boden drücken und danebst noch so mancher Blattmilbe das Lebenslicht vor der Zeit ausblasen! - Merkst du nun schon so ein wenig das Alberne deiner Besorgnis?
8
Nun aber denke dir erst, daß der freiwillige Mensch zu seiner physischen Nahrung nicht nur allerlei herrliche, mit Fruchtsamen wohlversehene Früchte mit seinen Zähnen zermalmt und sie dann als Speise für seinen Leib ohne alle Gnade und Schonung verschlingt, sondern sich sogar über allerlei Tiere hermacht, sie tötet und endlich auch ihr gebratenes Fleisch mit einer wahren Gier verzehrt. Hie und da sucht er sich große Plätze aus, auf denen zuvor viele Jahrtausende hindurch das schönste Gras, andere heilsame Kräuter, Gesträuche und Bäume in der schönsten und allerungestörtesten Ordnung Gottes gewachsen sind, und baut dann tote Häuser und Städte darauf. Ja, Freund, kann das nach der von dir gedachten Ordnung Gottes wohl recht sein?
9
Oder, so du dir deine mit der Zeit zu lang gewachsenen Nägel, Bart und Haare abkürzest, handelst du da nicht wider die Ordnung Gottes, nach dessen stereotypem Willen Nägel, Bart und Haare gleich wieder fortwachsen und nicht so kurz bleiben wollen, als ihr ihnen mit der Schere das Maß vorgeschrieben habt?
10
So es Gott denn durchaus nicht wollte, daß irgendein frei denkendes und frei wollendes Wesen wider die Stereotypie Seines Schöpfungswillens handelte und zerstörende Eingriffe wider die bestehende, stets unwandelbar gleiche Ordnung im großen wie im kleinen machte, würde Er wohl weise gehandelt haben, sich Wesen zu erschaffen, die schon ihrer Existenz wegen genötigt sind, allerlei zerstörende Eingriffe in die Urschöpfungsordnung, die doch auch ein Werk desselben allmächtigen und höchst weisen Gottes ist, zu machen?!
11
Wenn aber Gott, der Herr und Schöpfer aller Dinge und Wesen, es zuläßt, daß die lebenden Wesen, und zwar namentlich die frei denkenden Menschen, die mit einem freien Willen begabt sind, Ihm die Wälder zerstören, Bäume umhauen, Hütten und Häuser daraus bauen und den größten Teil davon verbrennen, Ihm das schöne Gras zertreten, abmähen und als Heu den Kühen, Ochsen, Eseln, Schafen und Ziegen verfüttern, und auch niemandem auf die Hand schlägt bei zahllos vielen anderen Eingriffen in Seine stereotype Ordnung, um wieviel weniger wird Er dort Sich mit Seinem allmächtigen Willen entgegenstemmen, wo es sich darum handelt, des Menschen kleinste Willensfreiheit zur größten göttlichen heranzuziehen!
12
Hast du denn nicht gesehen, wie zuvor der Junge, der im Grunde auch nur ein Geschöpf Gottes ist, den Stein wider die Stereotypie des urgöttlichen Willens in Gold umwandelte? Hat ihn jemand darum zur Rede gestellt, weil er einen so gewaltigen Eingriff in die Grundordnung Gottes gemacht hat? Im Gegenteil, es hat nur der göttliche Wille, vereint mit dem des Jungen, solches zuwege gebracht!
13
Wenn du die leichten Gebote Gottes hältst und Gott wahrhaft über alles liebst, so wirst du ja doch offenbar stets einiger mit dem Erkennen und Wollen Gottes. Du wirst sonach weiser und weiser und im gleichen Maße auch mächtiger und einsichtsvoller im Wollen. Dein inneres Licht aus Gott wird zu einer Allsehe erhoben werden, mittels der du im sonst noch Lebensdunkeln nicht nur fühlen, sondern schauen wirst die wirkenden Lebenskräfte und durch die Inhabung des freiesten Willens Gottes sie auch wirst bestimmen können, so oder so tätig zu werden. Eben dadurch aber, daß du die zahllos vielen, von Gott stets ausgehenden Kräfte speziell und individuell erkennst und erschaust, kannst du als ein Besitzer des göttlichen Willens sie ergreifen und sie auch bestimmen und verbinden zu irgendeinem weisen Tatzwecke, und sie werden sofort auch ebenalso tätig sein, als so Gott sie unmittelbar Selbst zu irgendeiner Tätigkeit bestimmt hätte.
14
Denn alle die durch die ganze Unendlichkeit von Gott ausströmenden Kräfte sind gleich wie zahllos viele Arme eines und desselben allmächtigen Gottes und können ja unmöglich irgend anders tätig werden und sein als allein nur durch die Anregung des göttlichen Willens, weil sie im Grunde nichts als pure Ausstrahlungen des göttlichen Willens sind.
15
Wenn der Mensch denn seine winzigste Willensfreiheit mit der endlos großen göttlichen vereint, sage Mir, ob es da nur denkbar möglich ist, einen puren stummen Zuschauer des pur göttlichen Willens zu machen, oder ob der also groß frei-willig gewordene Mensch mit solch einer Willensfreiheit aus Gott nicht so manches zustande zu bringen vermögend sein wird!"