Das Grosse Evangelium Johannes: Band 5
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
Ev. Matth. Kap. 16 (Fortsetzung)
- Kapitel 166 -
Der Pharisäer Bekehrung
1
(Cyrenius:) ,,Nun, mein Freund, kannst du mir auch das ableugnen, daß du zuvor mit dem alten Markus dich wortgetreu also besprochen hast und bei dir selbst auch also gedacht, aber darauf doch ganz anders notgedrungen geredet hast?! Was ist nun dein Wort und deine Meinung?"
2
Hier steht der Pharisäer wie versteinert dem Cyrenius gegenüber und weiß ihm mit keiner Silbe zu antworten.
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Hinter ihm aber steht Markus und sagt zu ihm: ,,Nun, du hochweiser Naturphilosoph, möchtest du mir dieses Wunder nicht auch auf eine ganz natürliche Weise erklären? Ich wäre wahrlich sehr neugierig, so etwas von dir zu vernehmen, was etwa die staatsklugen Römer hier für eine geheime List angewendet haben, um sich sogar deiner geheimsten Gedanken zu bemächtigen!"
4
Nach einer kleinen Weile sagte endlich der Pharisäer: ,,Ja, da geht es wahrlich nicht mit natürlichen Dingen zu! Ich wollte von dem, was ich offen zu Markus im Hafen gesprochen habe, nichts reden - denn es könnte ja jemand ein so scharfes Gehör besitzen, von noch weiter her unser Gespräch zu vernehmen -; aber auch das zu vernehmen, was ich in mir allergeheimst gedacht habe, das übersteigt den Horizont alles noch so tiefen menschlichen Wissens! Das ist ein Wunder; wo aber ein Wunder der höchsten Art möglich ist, da ist dann schon auch die Möglichkeit für alles andere vorhanden, und ich fange nun schon auch im Ernste an zu glauben, daß dies herrliche Haus auf eine wunderbare Weise entstanden ist! Mehr kann ich nun nicht sagen. Wenn aber das alles durch die Macht des berühmten Nazaräers geschah und noch geschieht, da muß er offenbar ein höheres Wesen sein, ein Gott im vollsten Ernste, dem alle Geister der Luft, der Erde, des Wassers und des Feuers alleruntertänigst gehorchen, und keine Menschenmacht kann sich ihm da widersetzen.
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Aber wir Pharisäer sind fertig und werden jüngst nichts anderes mehr zu tun haben, als uns ins Grab zu legen und darin gleich einem Tiere zu verenden! Was sollen wir mit unserem alten Betrugskrame, wo solche hierortige Wahrheiten allseits gleich Bergen sich über uns aufzutürmen anfangen? Wie das Wild der Wälder werden wir gehetzt und verfolgt werden und zugrunde gehen im Schlamme unserer Nacht und Finsternis! Allein, es kam also, und wir können nicht darum, daß auf dieser lieben Erde stets Nächte und Tage miteinander abwechseln. Wie der Tag die Nacht verzehrt, ebenso verzehrt dann wieder die Nacht den Tag, und bald folgt auf eine lange Nacht ein nur ganz kurzer und kalter Tag, - und bald wieder umgekehrt. Auf den Winter folgt der Sommer, und auf den wieder der Winter; es ist auf der lieben Erde alles einem beständigen Wechsel unterworfen. Wer heute lacht, kann morgen trauern, weinen und wehklagen!
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Es ist einmal also und wird nie anders auf dieser Erde werden. Hat ein Mensch lange etwas noch so Herrliches, Gutes und Erhabenes, so wird es ihm am Ende so gleichgültig, als nur immer einem etwas gleichgültig werden kann, das man lange in Hülle und Fülle besessen hat. Verliert man aber endlich den lange innegehabten Besitz, dann weiß man erst, was man besaß, und lernt den Wert desselben schätzen.
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Wir Menschen sind dumm und begreifen noch immer nicht, wie und warum das alles so kommt und ist, und sind darum auch nie mit etwas vollkommen zufrieden, mit dem Guten nicht - und mit dem Schlechten noch weniger! Das Grab scheint mir ein wahrer Glückshafen zu sein; in ihm verändert sich nahezu nichts mehr, und sein Bewohner fühlt kein Bedürfnis mehr nach was immer, und so bleibt für uns Erdenwürmer doch noch bei all den tausend Verlusten der Trost, daß auch wir jüngst ganz zufriedene Bewohner der Gräber werden, und die an unseren Grabstätten Vorübergehenden werden sagen: ,Hier ruhen sie im Frieden!`
8
Ja, es ist hier, wie ich's sehe, fühle und glaube, ein großes und noch nie dagewesenes Licht; aber die ebenso große Nacht, die solchem Lichte folgen wird, wird nicht ausbleiben! Wohl denen, die an diesem Tage sich sonnen können; aber desto mehr wehe denen, die von der auf diesen Tag folgenden Nacht ereilet werden! Sie werden ein großes Geschrei nach Licht erheben, werden dadurch wecken die Geister der Nacht und übel zugerichtet werden. Ich habe nun geredet, und euch Machthabern steht es selbstverständlich zu, mich zu richten nach eurem Willen!"
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Sagt Cyrenius: ,,Ich habe in deinen Reden nichts gefunden, das irgend vor einen Richterstuhl zu bringen wäre. Daß du für dein Haus geredet hast, ist eine ganz begreifliche Sache; aber du kamst hier, wennschon etwas mühsam, dennoch zu einer besseren Überzeugung und hörtest auf, ein Feind und Verfolger Dessen zu sein, den du ehedem gar gerne vernichtet hättest. Und mehr wollte ich von dir und von deinen Gefährten nicht, und somit möget ihr von hier wieder in Frieden abziehen! Wollet ihr aber mehr, so habt ihr euch auszusprechen, und es soll euch alles Billige gewährt werden!"
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Sagt der Pharisäer: ,,Was sollen wir nun? Wir haben daheim im Tempel einen Eid in die Hände des Hohenpriesters legen müssen, nicht eher zu ruhen und heimzukehren, als bis wir den Nazaräer völlig unschädlich gemacht haben würden. Nun, das ist nun vielfach unmöglich geworden! Erstens seid ihr mächtigen Römer, wie wir's alle nur zu deutlich vernommen haben, seine Freunde, gegen die wir nichts unternehmen können und werden; zweitens ist er selbst nach allem dem, was sich hier von seiner Macht zeigt, so unüberwindlich in allen Dingen und auf allen seinen Wegen, daß ihm keine Macht der Erde etwas anhaben kann; und drittens sind wir alle aus dem innersten Lebensgrunde seiner so unvergleichbar hohen und nie dagewesenen Eigenschaften wegen ihm selbst zu Freunden geworden, so daß bei uns von einem weiteren Verfolgen seiner Person schon von weitem her keine Rede sein kann.
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Aber was nun anfangen? Seine Jünger möchten wir am liebsten sein, damit wir den Tag, dessen Morgenröte wir hier erblickten, in seiner Fülle zu schauen bekämen und in seiner Wege Geleise treten könnten! Nun, das wird uns kaum gewährt werden! Unverrichteterdinge nach Hause kehren dürfen wir auch nicht! Was ist da hernach zu tun? Wir müssen, so wir für Magen und Haut versorgt sein wollen, dennoch gleichfort - wenigstens scheinbare Verfolger desjenigen bleiben, den wir lieber auf unseren Händen herumtragen möchten! Hier ist also ein guter Rat, wennschon teuer, aber dennoch sehr vonnöten!"
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Sagt Cyrenius: ,,So das euer Ernst ist, woran ich nun kaum mehr zweifle, so wird sich da bald Rat schaffen lassen. Ob ihr nun gleich Seine Jünger werden könnet, das steht offenbar bei Ihm allein und nicht bei mir. Aber da ihr, wie ich aus euren Reden entnommen habe, sonst recht kluge und erfahrene Leute seid, so kann ich selbst euch brauchen und euch bediensten, und das um so mehr, da ihr auch der griechischen und römischen Zunge mächtig seid. Ich aber habe Seine Lebenslehre in einem Buche geschrieben, aus dem ihr allen Seinen Willen erkennen könnet! Es wird sich dann schon wieder einmal eine Zeit fügen, in der ihr Seine nähere Bekanntschaft werdet machen können, und zwar in einem würdigeren Gewande denn jetzt. Der Pharisäer Röcke liebt Er nicht, weil sie mit dem schlechten und faulen Öle zur Ausübung des Betruges gesalbt sind. - Also lautet mein werktätiger Rat. Wollt ihr auf ihn eingehen, so saget es mir, und es soll euch geholfen sein!"
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Sagt der Anführer zu seinen Gefährten: ,,Ihr habt es vernommen so gut wie ich! Seid ihr mit diesem überaus freundlichen Antrage zufrieden, so äußert euch, da ein jeder von euch einen vollkommen freien Willen hat! Ich für meine Person habe gegen ihn nichts einzuwenden."
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Sagen alle: ,,Wir auch nicht; nur, so es anständig wäre, möchten wir noch zuvor den erhabenen Nazaräer persönlich kennen lernen!"
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Sagt Cyrenius: ,,Diesmal nicht; aber wenn ihr einmal in Seiner Lehre näher bewandert sein werdet, dann ja! Für jetzt aber übernimmt euch mein Leibdiener; dem folget, und er wird euch mit guter Gelegenheit nach Sidon bringen, wo ihr andere Kleider und eine euren Kenntnissen gemäße Stellung bekommen werdet! Gehet und folget ihm!"
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Mit diesen Worten kam ihnen schon ein Leibdiener des Cyrenius, deren er viele hatte, entgegen, verschaffte ihnen eine gute Gelegenheit und reiste mit ihnen selbst gleich nach Sidon ab.