Gottes Neue Offenbarungen

Die Geistige Sonne
Band 1

Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits

- Kapitel 91 -

Die Erlösungsbedingung. - Überbrückung der Kluft

Der Prior spricht: O lieber und allerschätzbarster Freund und Bruder! Dieser herrliche Gedanke ist auch der völlige Meister meines Gefühles geworden. Ich sehe die sichere Vollendung im Herrn nur gar zu gründlich ein; aber solches sehe ich auch daneben ein, wie endlos unwürdig wir alle zusammen solch einer außerordentlichsten heiligen Hilfe sind.
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Der schlichte Mann spricht: Lieber Freund und Bruder! Ich sage dir: Das ist aber an dir und deinen Brüdern auch das Beste, so ihr das lebendig einsehet, denn solange jemand glaubt, daß er etwas tun könne, oder daß er der göttlichen Gnade und Erbarmung würdig sei, so lange auch darf er darauf rechnen, daß ihn der Herr wird harren lassen, bis sich solcher törichte Wahn in ihm verzehren wird. So er aber zu deiner gegenwärtigen inneren Ansicht kommt, daß er nichts ist und nichts vermag, sondern daß der Herr ist alles in allem, der Erste und der Letzte, das Alpha und das Omega, dann erst gibt er sich dem Herrn freiwillig ganz hin, und der Herr ergreift ihn da und führt ihn den gerechten Weg.
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Und so meine Ich denn nun auch in dieser deiner Hinsicht: Lege du alle deine Liebe zu deinen Brüdern und alle deine Sorge um sie vor die Füße des Herrn, umfasse dieselben mit deinem Herzen über alles heißliebend und du wirst dich sicher überzeugen, daß der Herr gerade da tätig zu werden beginnt, wo der Mensch aus seiner demütigen inneren Erkenntnis alle seine nichtige Tatkraft und überschwache Willensmacht dem Herrn liebend übertrug. Denn es ist solches ja schon unter den Menschen der Fall, die da haben ein weltlich Oberhaupt unter sich.
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Solange jemand sein Vermögen selbst verwalten will, so lange wird sich das leitende Oberhaupt um ihn nicht kümmern und nicht nachforschen, wie er sein Vermögen verwaltet. Hat aber jemand seine Schwäche in der Verwaltung seines Vermögens eingesehen, nimmt dann sein gesamtes Vermögen, geht damit zum redlichen Oberhaupte, zeigt ihm solches an und bittet zugleich in aller aufrichtigen Liebe und gehorsamen Demut seines Herzens, daß das Oberhaupt sein Vermögen übernehmen und sonach gänzlich für ihn sorgen möchte, da wird dann das Oberhaupt auch das Vermögen übernehmen und es geben in die Hofbank, und der redliche schwache Bittsteller wird pünktlich und richtig seine Interessen erhalten. Solches ist, wie gesagt, auf der Welt schon vielfach der Fall unter den Menschen, wennschon freilich in einem bei weitem unreineren und liebloseren Sinne.
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Wenn aber schon die törichten Menschen auf der Welt ihr materielles Vermögen so gestaltet gut an den Mann zu bringen verstehen und sich dadurch eine sorglose Lebensrente verschaffen, um wieviel mehr soll da erst der bei weitem weisere Geistmensch einsehen, wer der allervollkommenste Verwalter und Sorger für alle die Lebensbedürfnisse des geistigen Menschen ist, so dieser Ihm zuvor alle seine Lebenskapitalien völlig übergeben hat.
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Zudem spricht sich ja auch der Herr im Evangelium offenkundig aus, zu wem alle die Mühseligen und Beladenen kommen sollen, um die rechte Erquickung zu finden, und auf wen sie alle ihre Sorgen übertragen sollen. Wenn du dieses so recht überlegst, so wirst du auch gar leicht und gar bald finden, daß deine Sorge für diese deine Brüder bei aller deiner Liebredlichkeit ein wenig eitel ist.
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Du möchtest es durch die völlige Erlösung deiner Brüder wenigstens so weit bringen, daß du vor dem Herrn sagen könntest, auch du seiest ein allernutzlosester Knecht gewesen. Siehe, so gut zwar die Sache an und für sich klingt, so liegt aber in Anbetracht auf den Herrn und auf deine Verdienstlichkeit dennoch etwas Eitles daran, denn du willst dadurch eigentätig dem Herrn zwar einen guten Dienst erweisen, nach dem erwiesenen Dienste aber dennoch tun, als hättest du keinen Dienst getan, um dadurch dir bei dem Herrn ein Lob zu bereiten. Ich aber sage dir, daß es in diesem Reiche noch gar viele gibt, die da sagen: Ich bin der Letzte und Allergeringste vor Gott. Die aber solches von sich aussagen und bekennen, möchten eben dadurch sich bei dem Herrn in eine besondere Gunst setzen, um zufolge des Ausspruches des Herrn Selbst im Evangelium wohl gar die Ersten und Größten im Reiche Gottes zu werden.
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Der Herr aber spricht auch auf einem anderen Orte: Wenn ihr nicht werdet wie diese Kindlein, so werdet ihr nicht eingehen in das Reich Gottes. - Wie und warum denn? - Siehe, weil die Kindlein wirklich die Geringsten und Kleinsten sind, indem sie alle ihre Sorgen auf den alleinigen Vater übertragen. Wo ist wohl das Kind, das da sorglich zu seinen reichen Eltern sagen möchte: Was werden wir essen und trinken, und womit werden wir uns bekleiden? Siehe, solche Sorge ist den Kindlein fremd. Wenn es sie hungert und dürstet, so laufen sie zum Vater und bitten ihn um Brot und um einen Trank, und der Vater gibt es ihnen. Sie bitten ihn sogar nie um ein Kleid. Wenn es ihnen aber kalt ist, merkt das der Vater gar wohl und gibt ihnen nicht nur ein warmes, sondern auch ein schönes, stattliches Kleid, weil sie seine lieben Kindlein sind.
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Also siehe nun, Mein lieber Freund und Bruder, gib auch du dich so ganz dem Herrn hin und sei versichert, Er wird dich nicht weniger versorgen mit allem, was dir not tut, und das sicher um vieles eher und ums Unaussprechliche besser, als da ein irdischer Vater reichsten Standes seine Kinder versorgt und ihnen alles Nötige gibt.
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Der Prior spricht: Höre, lieber Freund und Bruder, so schlicht und einfach du sonst auch aussiehst, so muß ich dir aber dennoch bekennen, daß diese deine Worte noch ums Unvergleichliche erhabener und wesenhaft wahrer klingen, als die des von mir dir früher erwähnten himmlischen Boten des Herrn. Ja, du hast mir jetzt nicht nur die lebendigste Wahrheit aller Wahrheiten gezeigt, sondern ich muß dir offenbar gestehen: diese deine Worte haben mich mit einem so lebendigen Troste erfüllt, daß ich mir darob aus lauter demütigster Dankbarkeit und Liebe gegen den unaussprechlich liebevollsten himmlischen Vater wie gänzlich vernichtet vorkomme.
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Die Worte des erhabenen Boten des Herrn waren für mein Gefühl wie eine rauhe Feile, mit welcher er - ewig Dank der göttlichen Erbarmung! - mir meine vielen und allergröbsten Irrtümer abgefeilt hat; auch waren sie nicht selten wie ein scharfes Schwert, welches einen durch und durch schmerzlichst verwundet, obgleich dadurch das Irrleben erzeugende Blut hinausgelassen wird.
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Deine Worte aber, o Freund und Bruder, sind dagegen wie ein allerheilsamster lieblichster Balsam; o ich kann es dir gar nicht beschreiben, wie unaussprechlich wohl mir bei jedem deiner Worte geworden ist! Ich bin nun auch so weit gekommen, daß ich dich aufrichtigst und allerlebendigst versichern kann, um aus meinem innersten Gefühle heraus lebendigst zu sagen:
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O Herr, du allmächtiger, überheiliger, überguter Vater, nun geschehe für mich und für alle diese meine armen Brüder Dein allein allerheiligster Wille! Alle meine Sorge und all meinen Willen lege ich Dir zu Deinen allerheiligsten Füßen; und was Du mit mir machen, was Du mir geben willst, in allem dem auch geschehe Dein allein heiliger Wille! - O du himmlisch lieber Bruder du! Du mußt sicher noch ein größerer Freund des Herrn sein, als da ist der frühere erhabene Bote. Du mußt mir aber vergeben; denn diese deine Rede hat mich mit einer solchen Liebe auch zu dir erfüllt, daß ich nicht umhin kann, dich zu umarmen und dir dadurch meine Dankbarkeit für deine himmlische Lehre durch meine allerwärmste Bruderliebe abzustatten. Fürwahr, sowenig ich den allerliebevollsten heiligen Vater ewig je werde zu lieben aufhören, sowenig werde ich auch je in meinem Herzen deiner vergessen!
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Der schlichte Mann spricht: Ja, Mein lieber Bruder und Freund, komme her und liebe Mich, denn das ist ja des Herrn Wille, daß sich alle Brüder im Herrn lieben sollen! - Sehet, wie nun unser Prior auf den noch unbekannten schlichten Mann hinstürzt, Ihn umfaßt und nach aller Kraft an sein Herz preßt, und der schlichte Mann denselben Akt dem Prior ebenfalls noch lebendiger erwidert. Was meinet ihr wohl, ob solches ein günstiges oder ein ungünstiges Zeichen für den Prior ist? Ich sage euch, solch ein Zeichen ist von jeher günstiger Art; denn das liegt von Ewigkeit her so ganz eigentümlich im Charakter des Herrn, daß Er samt uns und allen Seinen himmlischen Boten an einem zurückgekehrten verlorenen Sohne die allergrößte Freude hat.
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Nun hat sich aber auch, wie ihr sehet, unser liebendes Paar wieder ausgelassen, und der schlichte Mann spricht nun zum Prior: Mein lieber Freund und Bruder, da sieh nur einmal hin, wie es Mir vorkommt, so hat sich während unseres Gespräches und während unserer brüderlichen Liebesumarmung die ganze Kluft verloren, und Ich meine, es wird nun nicht mehr schwer werden, die armen Brüder herüberzuholen. Daher gehen wir nun hin und zeigen ihnen solches an.
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Nun gehen die beiden hin zu den nackten Seelenschläfern. Diese erheben sich und schauen mit erstaunten und dankbarst freudigen Augen dahin, wo ehedem die schaurige Kluft war. Der schlichte Mann spricht zu ihnen: Sehet, die Kluft ist nicht mehr, daher folget uns unbesorgt. Die Nackten aber sagen: O lieber Freund und erhabener Bruder, wir sind nackt und getrauen uns so kaum auf die hellere Seite dieses unseres ehemaligen Refektoriums. Der schlichte Mann spricht zu ihnen: ,,Sorget euch nicht um ein Gewand, denn Derjenige, der sich eurer erbarmt hat und zunichte gemacht diese Kluft, der hat auch schon für gerechte Kleidung gesorgt. Sehet, dort in der Mitte dieses Gemaches, am Tische, werdet ihr finden, was euch not tut; daher gehet und folget uns!"
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Nun gehen sie hervor, und der Prior, von großer Liebe für diesen seinen lieben Bruder ergriffen, spricht zu Ihm: Nein, lieber himmlischer Freund und Bruder, für diesen deinen Liebesdienst kann ich dich nicht, uns gleich, einhergehen lassen, sondern ich bitte dich, laß dich tragen von mir!
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Der schlichte Mann spricht: Mein lieber Bruder, laß das gut sein. Denn wenn es darauf ankäme, so könnte Ich wohl eher dich samt allen deinen Brüdern tragen, so weit du nur wolltest, als daß du Mich auch nur zu dem Tische hinüber trügest. Daß du Mich aber nun trägst in deinem Herzen, o Bruder, das ist Mir ums Unaussprechliche lieber, als so du Mich tragen möchtest und vielleicht auch getragen hast in deinen Händen. Du fragst Mich wohl, wie Ich es mit dem ,,Vielleicht" meine. Ich sage dir aber: Kümmere dich nun nicht mehr darum, zu seiner Zeit wird dir schon alles klar werden. Daher laß uns nun ziehen zum Tische hin, damit dort diese unsere Brüder ihr gerechtes Gewand nehmen.
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Der Prior spricht: Ja, ja, lieber Bruder, wie es dir recht ist, so auch mir im vollkommensten Maße. Das ,,Vielleicht" geht mir freilich noch ein wenig in meinem Kopfe herum, aber es sei auch dieses dem Herrn zu Seinen allerheiligsten Füßen gelegt, und somit geschehe Sein und dein Wille.
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Sehet, nun gehen sie allesamt an den Tisch, und wie ihr bemerken könnt, so sind alle die armen Brüder auch schon, ohne Kammerdiener, bekleidet. Ihr Kleid sieht freilich noch nicht ganz himmlisch aus, aber es ist ein Kleid der Gerechtigkeit, und es entspricht der Liebe zum Herrn in ihnen. - Was weiter, wird die Folge zeigen.

Fußnoten