Die Geistige Sonne
Band 1
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 87 -
Vom Unterschied der rechten und falschen Beichthandhabung
Sehet, der Prior geht, um diejenigen zu holen, die wir ehedem jenseits der flammenden Kluft verlassen haben. Ihr fraget wohl, ob über diese Kluft schon irgendeine Brücke gemacht ist, über welche sich die Seelenschläfer zu uns hierher begeben können? Ich sage euch: In dieser Hinsicht ist zwar bis jetzt noch nichts geschehen, weil nach unserer Entfernung unsere Seelenschläfer mit sich selbst ein Mitleid zu empfinden angefangen haben, welches aber für den Menschen in Beziehung auf das geistige Leben von einer äußerst schlechten Wirkung ist.
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Im Eigenmitleide rechtfertigt der Mensch sich selbst, schiebt alle Schuld woanders hin und stellt sich sonach als ein schuldloser und zugleich aller Erbarmung würdiger Mensch dar. Da solches eben bei unseren Seelenschläfern, wie schon bemerkt, der Fall ist, so kann auch über die Kluft noch keine Brücke sein, über die sie zu uns hierhergelangen könnten. Solches dient aber auch für unseren Prior zu einer starken Probe, und es wird sich zeigen, was diese Seelenschläfer-Brüderschaft bezüglich ihres mißlichen Zustandes auf ihn für eine Wirkung machen wird.
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Ihr möchtet wohl Zeugen von seiner Handlungsweise sein, ich aber sage euch, solches ist vorderhand durchaus nicht notwendig, denn wir werden seiner noch früh genug wieder ansichtig werden, da er sicher unverrichteter Dinge hierhergelangen wird.
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Wir aber wollen uns dafür unterdessen lieber an einen anderen Mönchsbruder wenden und da sehen, welche Wirkung unsere Bearbeitung des Priors auf ihn gemacht hat. Wir brauchen nicht zu sagen: Komme her und enthülle dich uns! Denn ihn selbst drückt der Schuh, und so kommt er, wie ihr sehet, eben in der Absicht zu uns und stellt soeben folgende Frage an mich, sagend (der Mönch): Guter Freund und Bruder! Ich habe deiner Belehrung über die Beichte vom Anfange bis zum Ende mit der größten Aufmerksamkeit und innern Würdigung zugehört und daraus entnommen, daß leider diese Hauptfunktion in der katholischen Kirche zumeist ein allerverkehrtester Mißbrauch des göttlichen Wortes ist. Man kann deiner ausgesprochenen reinen Wahrheit füglichermaßen nichts einwenden. Aber dessen ungeachtet, daß wir hier solches einsehen, besteht diese Funktion in eben dieser Kirche, wie sie seit Jahrhunderten bestanden hat und auch fürder bestehen wird, dennoch fort.
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Wenn aber eben diese Funktion sowohl für den Beichtiger wie auch für den Beichtenden von einem so entschieden großen Nachteile in Hinsicht auf das ewige Leben des Geistes ist, so läßt sich da wohl mit dem besten Gewissen von der Welt die gewichtige Frage stellen, warum der allgerechte, liebevollste, allerhöchst weise, allmächtige Herr und Gott Himmels und der Erde so einen Greuel in Seinem Weingarten duldet?
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Denn ich muß dir zudem noch offen bekennen, daß eben durch diese Beichte gar manche Menschen auf der Erde sichtbarermaßen große Lieblinge des Herrn waren und Er Sich ihnen auch zu verschiedenen Malen leibhaftig geoffenbart hat. Und so viel ich mich entsinnen kann, so hat Sich der Herr zu keinem dieser Seiner Lieblinge über diese Funktion mißbilligend geäußert.
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Im Gegenteile weiß ich mehrere Fälle, wo eben auf diese Weise der Herr durch Seine Lieblinge den andern Menschen kundgetan hat, daß sie für ihre begangenen Sünden, reumütigst beichtend, wahre Buße zur Vergebung ihrer Sünden wirken sollten. Und ich weiß auch mehrere Fälle, wo Menschen, welche diesen Rat vollkommen beherzigt haben, nach einer solchen im vollsten Ernste vorgenommenen Beichtfunktion im Geiste und in der Wahrheit völlig wiedergeboren worden und dann von dem Augenblicke an wahre, hochachtbare Freunde des Herrn geblieben sind.
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Wenn es aber dennoch mit dieser Funktion auf diesem Fuße steht, wie du uns alle vorhin belehrt hast, da muß ich dir offen bekennen, daß mir die Leitung des Menschengeschlechtes auf der Erde von seiten des Herrn ein unauflösliches Rätsel ist. Soviel ich mich recht wohl erinnern kann, ist die Beichte ja ohnehin so gestellt, daß der Sünder durch diese Bußfunktion nur dann die Vergebung seiner Sünden überkommt, wenn er dieselben mit dem ernstlichsten Vorsatze dem Priester kundgibt, daß er sie als erkannte Fehltritte seines Lebens wahrhaftigst bereut und in der Zukunft vorsätzlich ernstlich nimmer wieder begehen will.
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Wenn diese Bedingung von seiten des Beichtenden nicht erfüllt wird, so wird ja ohnehin möglichst oft von den Kanzeln bekanntgegeben, und namentlich vor den allgemeinen Beichtzeiten, daß da niemand, wie gesagt, ohne die völlig erfüllten Bedingungen die Nachlassung seiner Sünden erhalten kann.
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Also wird auch sowohl von den Kanzeln wie in den Beichtstühlen sorgfältigst gepredigt und gelehrt, daß da niemandem eine Sünde von seiten des Herrn nachgelassen werden kann, wenn der Beichtende nicht zuvor sich mit allen seinen Schuldnern aus dem innersten Grunde seines Herzens verglichen hat. Wenn irgend vielleicht ein größerer Unfug mit dieser Funktion getrieben wird, obwohl es die allgemeine kirchliche Regel haben will, daß eben diese Funktion in solch reinem Sinne gehandhabt werden soll, so kann solch ein Unfug ja doch nicht der Allgemeinheit zur Last gelegt werden.
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Sieh, ich will in dieser Sache durchaus nicht das berühren, ob von seiten der Kirche die Forderung des Herrn laut der bekannten Texte richtig oder unrichtig aufgefaßt worden ist; aber das ist denn doch sicher, daß es der Herr eben nicht für gar so unbillig, wenigstens auf der Erde, ansehen muß, weil Er diese Funktion fürs erste hat aufkeimen lassen und fürs zweite diesen aufgekeimten Baum noch immer in Seinem Weingarten duldet und dieser Baum Ihm auch bekanntermaßen stets eine reichliche Ernte abwirft.
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Denn das ist einmal gewiß: Wenn jemand krank ist, so soll er zu einem Arzte gehen, demselben sein Übel anzeigen, auf daß es der Arzt dann in der Wurzel erkenne und dem Leidenden dafür ein wirksames Heilmittel biete. Wenn aber solches leiblichermaßen wohl niemand unbillig finden kann, indem man doch auch sagen könnte: Dem allmächtigen Herrn allein steht es zu, alle Krankheiten zu heilen, was Er auch sicher tut nach Seiner Ordnung, so der Leidende im lebendigen Vertrauen auf den Herrn die Mittel von dem wohlerfahrnen Arzte als vom Herrn gesegnet gebraucht.
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Wenn also, wie gesagt, solches für den Leib gilt, da sehe ich wirklich nicht ein, warum es gleichermaßen nicht auch für die kranke Seele des Menschen gelten sollte. Sind wirkliche leibliche ,,Unterärzte" an der Seite der göttlichen Liebe und Allmacht nicht als überflüssig anzusehen, aus welchem Grunde sollen denn geistige Unterärzte an der Seite der göttlichen Liebe und Erbarmung überflüssig sein? Zudem sind die Menschen ja vom Herrn angewiesen, gegenseitig liebtätig zu sein.
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Wenn es durchaus nie als gefehlt betrachtet werden kann, wenn man die Nackten bekleidet, die Hungrigen speiset, die Durstigen tränket, die Betrübten tröstet, die Gefangenen erlöset u. dgl. m., und der Herr Selbst in dem Beispiele, wer der wahre Nächste ist, dem Erschlagenen durch den barmherzigen Samaritaner Hilfe gesandt hat, - wie sollen demnach geistige Werke der Erbarmung und Liebe des Herrn von seiten Seiner geistigen Unterärzte in ihrer Art, wie sie bestehen, dem Herrn ein Greuel sein? Sind sie schon nicht, wie sie sein sollten, vollkommen entsprechend diesem reinsten Reiche der Wahrheit, so können wir spät nachfolgenden Diener dieser kirchlichen Hauptregel aber dennoch nicht umhin, so wir diese Regel, wie sie ist und besteht, zur Vergebung der Sünden und Besserung der Menschen gebraucht haben.
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Ich meine aber, einen absoluten Greuel hätte der Herr auf der Erde schon lange ausgemerzt; da er aber sicher dennoch in keinem schlechten Sinne besteht, so möchte ich, wie schon anfangs erwähnt, in dieser Hinsicht von dir ein etwas helleres Licht überkommen.
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Nun spreche ich: Mein Freund und Bruder, deine Frage ist wichtiger und bedeutender, als du dir selbst denkst, und um sie gehörig zu beleuchten, gehört mehr Licht dazu, als du gegenwärtig zu ertragen vermagst. Vorläufig will ich dir nur soviel sagen, daß die Führung der Seelen von seiten des Herrn viel wunderbarer und außerordentlicher ist, als du in Ewigkeiten nur den allerkleinsten Teil davon wirst zu fassen imstande sein.
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Siehe, in Anbetracht auf den Herrn gibt es nirgends einen Irrweg; jeder ist dem Herrn wohlbekannt und jeder geht von Ihm aus als ein Lebensband. Aber du wirst doch auch einen Unterschied machen zwischen einem geraden und einem krummen Wege?
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Daß Sich der Herr auch auf dem krummen Wege zurechtfindet, das liegt außer allem Zweifel; daß aber der Mensch auf einem krummen Wege nicht so bald ans Ziel gelangt wie auf einem geraden, das wird wohl auch außer Zweifel liegen. Wenn ein Weg viele Seitenwege hat, welche vom Ziele ablenken, und man nicht selten zufolge eines solchen Abweges die ganze Erde vielfach umwanden kann, bis man an das gerechte Ziel kommt - solches wird auch nicht so schwer zu begreifen sein -, so ist es doch klar, daß es dem Herrn nicht einerlei sein kann, ob jemand auf solchen Seitenwegen sich Ihm naht, oder ob er sich auf dem kürzesten Wege zu Ihm begibt.
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Du sagst zwar in deinem Innern: Solches alles ist richtig; aber dessen ungeachtet siehst du nicht ein, wie die Beichte in dieses Beispiel hineinpaßt, indem du sie ebenfalls für einen allerkürzesten Weg ansiehst. Ich sage dir: Es ist allerdings nicht in Abrede zu stellen, daß diese Funktion nicht selten für manche Menschen ein kürzester Weg war; wie aber? Weil der Herr solch einem Menschen, der es mit der Besserung seines Lebens ernst nahm, entgegenkam und leitete Ihn dann Selbst auf den geraden und kürzesten Weg. Das ist aber noch kein Grund, um dieser Funktion ein billigendes Wort zu reden. Es gibt auch Tausende und Tausende aus den Heiden, denen der Herr ebenfalls entgegenkommt und sie nach Seiner Art auf den geraden Weg führt. Solches ist eine ledige Erbarmung des Herrn. Weil Sich aber der Herr solcher Heiden erbarmt, sollte man darum dem Heidentume das Wort reden?
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Ich aber habe ja ohnehin im Verlaufe meiner Belehrung gezeigt, wie eine Beichte beschaffen sein soll, wenn sie vom Herrn aus als billig und sogar anempfohlen betrachtet werden kann. Ich habe den ungerechten Haushalter gezeigt, in welchem Gleichnis der Herr einzig und allein vorgesehen die bestehende katholische Beichte billigt. Ist demnach der Beichtiger gleich dem ungerechten Haushalter und tut seine Funktion in diesem allein wahren und zu billigenden Sinne, so ist die Beichte auch evangelisch, also ein Zweig an dem wahren Baume des Lebens. Ist sie aber nur ein eigenmächtiges priesterliches Gericht, so ist sie ein getrennter Zweig vom Baume des Lebens, der keine Früchte tragen kann.
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Daß von seiten der katholischen Gemeinde unter der Leitung des römischen Bischofs schon gar viele dem Herrn wohlgefällige Früchte getragen worden sind, und daß diese Funktion nicht selten eine gute Demütigung für die Menschen ist, das wissen wir viel besser als du. Wäre solches nicht der Fall, da kannst du versichert sein, daß der Herr einem reinen Unfuge allezeit gar wohl zu steuern versteht, wie Er es auch zu Zeiten der verschiedenartigen kirchlichen Reformationen getan hat, indem in dieser Zeit eben diese Funktion auf den Grad der unsinnigsten Ausartung gediehen ist. Aber aus alldem geht für dieses Reich der reinen Wahrheit noch keine vollkommene Billigung hervor.
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Wenn der Beichtiger sagt, daß nicht er, sondern allein der Herr die Sünden vergeben kann, und betrachtet sich dabei nur als ein liebtätiges Werkzeug, das dem geistig Bedrängten eben in der Beichte wie auch auf der Kanzel die reinen Wege zum Herrn zeigt, so ist er ein rechter Beichtiger, das heißt, er ist als solcher ein liebeerfüllter, wahrhaftiger Menschenfreund, dem das geistige Wohl seiner Brüder über alles am Herzen liegt. Wenn er aber spricht: Ich habe die Gewalt, dir die Sünden zu erlassen oder vorzuenthalten, und es hängt von mir ab, dich in die Hölle oder in den Himmel zu bringen, so maßt er sich die göttliche Gewalt an.
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Er macht seinem Bruder dadurch Gott entbehrlich, zerreißt das Band zwischen Gott und dem Menschen und macht aus dem Menschen entweder einen verzweifelten Verächter alles Göttlichen, oft einen verzweifelten Bösewicht, der sich mit der Zeit, über alles hinaussetzend, nicht mehr scheut, alle möglichen Greuel ohne den geringsten Gewissensdruck zu verüben. Oder er macht aus dem Menschen entweder einen Gleißner oder einen gewissensruhigen Nachbeichtschläfer, der sich nach der Beichte um kein Haar anders befindet, als er sich vor der Beichte befunden hat, indem er glaubt, in der Beichte seinen alten Sündensack ausgeleert zu haben und sich am Ende auch noch allerunsinnigstermaßen vorstellt, daß er wegen der nächsten Beichte im Ernste wieder etwas sündigen muß, damit er etwas zu beichten und der Priester ihm gewohntermaßen wieder etwas nachzulassen hat.
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Wenn es sich nun, wie gesagt, mit dieser Funktion also verhält, sage mir, ist sie da wohl zu billigen? Du verneinst solches in deinem Innern; also sage auch ich dir, daß deine Frage Nr. 1 als völlig überflüssig anzusehen ist, wenigstens für diesen gegenwärtigen Standpunkt; fürs zweite ist sie eben dadurch beantwortet. Der Verfolg aber wird euch allen erst in dieser Hinsicht ein mächtigeres Licht anzünden.