Die Geistige Sonne
Band 1
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 76 -
Das Aufblähen des trügerischen Himmels
Ihr seht diesen Himmel noch in seiner vorigen Eingeschrumpftheit; aber da die Bewohner dieses Himmels nebst ihrer falschen Begründung sogar auch etwas böse geartet sind, so fangen sie nun nach einiger Überlegung an, sich über uns aufzublähen. Solches Aufblähen werden wir bald an diesem ganzen Himmel erschauen. Ihr fraget zwar, wie solches möglich ist, nachdem zuvor die Bewohner dieses Himmels sich aus lauter erbärmlicher Furcht vor uns verkrochen haben? Solches liegt ja schon in der Natur eines jeden noch stark naturmäßig gesinnten Menschen, daß da die Furcht, wie nicht selten auch so manche Traurigkeit, nichts anderes ist als ein Same für einen bald daraus erwachsenden Zorn und endlich auch sogar von einer verzweifelten Zornwut-Tollkühnheit. Denn solches könnt ihr am leichtesten bei den Kriegern, die gegen den Feind ins Feld ziehen, gewahren, da sie ebenfalls mit großem Zittern und Zagen dem Feinde entgegenziehen. Sind sie aber an den Feind gestoßen und haben da einige wohlgenährte Salven bekommen, so geht ihre Furcht sobald in einen Glühzorn über, und werden sie mit dem Feinde gar handgemein, da verdrängt die Zornglut ein flammender Grimm, bei welcher Gelegenheit sich ein solcher ehedem furchtsame Krieger wütend in die größten Gefahren stürzt.
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Der gleiche Fall ist es auch bei manchen Trauernden. So sie die effektive Ursache ihres leidenden Zustandes ergreifen könnten und hätten dazu eine hinreichende Macht, da dürfte es dem Gegenstande, der da der Grund einer solchen Trauer war, fürwahr nicht am besten ergehen. Ich könnte euch sogar viele Tausende und aber Tausende zeigen, die in ihrer eitlen Trauer sogar dem Herrn auf das greuelhafteste geflucht haben. Darum hat auch der Herr auf der Welt die Trauer nie gutgeheißen, außer einer Trauer über den eigenen Zustand, wenn er nicht also ist, wie es die Ordnung des Herrn erheischt. Das heißt, es muß in diesem Falle die Trauer gleich sein einer wahrhaftigen Reue des Herzens und muß eine natürliche große Liebe zum Herrn zum Grunde haben, oder der Trauernde muß trauern in aller Sanftmut seines Herzens.
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Solches dagegen aber ist auch wieder sicher, daß derjenige, der den Herrn wahrhaft liebt, gar wenig Grund zum Trauern haben wird; denn die Trauer ist im Grunde nur ein Schmerz über den Verlust einer Person oder eines Gegenstandes. So aber jemand den Herrn hat, was kann der wohl verlieren, was ihm einen Schmerz bereiten sollte? Ihr wisset aus der Schrift, daß da viele Weiber bei der Kreuzigung des Herrn dem schwer mißhandelten Heilande der Welt gefolgt sind und haben Ihn beweint und betrauert. Er aber hat ihre Traurigkeit nicht gutgeheißen, sondern verwies sie ihnen und gab ihnen zu verstehen, daß sie lieber über sich, also über ihre Sünden, und über ihre Kinder weinen sollten.
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Wie es sich aber mit der Trauer verhält, also verhält es sich auch mit der Furcht, welche nichts ist als ein klägliches Bewußtsein der eigenen Ohnmacht und Schwäche. Wenn aber jemand den Herrn hat in seiner Liebe und somit auch sicher in seinem Vollvertrauen, wie sollte der sich wohl vor etwas fürchten? Also ist die Furcht immer eine Folge eines nicht reinen Gewissens und dann, wie gesagt, des Bewußtseins der eigenen Ohnmacht und Schwäche.
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Wenn wir nun von dieser Definition auf diese unsere Himmelsbewohner übergehen, wo werden wir sie also finden, daß sie ganz genau in diese unsere Definition passen werden. Aus dieser Erwägung heraus seht euch nun diesen Himmel an, und ihr werdet gar leichtlich entdecken, daß sich alle diese himmlischen Gegenstände nach und nach zu vergrößern anfangen, damit wir von dieser Erscheinlichkeit einen Respekt bekommen sollen. Solches Vergrößern liegt dem Anschwellen der Gemüter dieser Himmelsbewohner zugrunde. Und so sehet nur hin, wie das ganze himmlische Theaterpodium sich nach allen Seiten auszudehnen anfängt.
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Die früher kaum faustgroßen Köpfe der Cherubime und Seraphime haben bereits einen Durchmesser von einem . Die Dreieinigkeit ist schon so groß, daß ihr sie auf der Erde auf zehn noch recht gut ausnehmen könntet. Der früher ganz seichte Hintergrund dieses Podiums scheint schon beinahe eine Tiefe von zwanzig Meilen zu haben, und die früheren Wolken-Kulissen erscheinen jetzt, wie ihr sehet, wie ungeheuer schwere Gewitterwolken auf der Erde, so ihr solche dann und wann geschaut habt, wie sie sich auf der Erde vom Morgen und Abend gegeneinander aufzutürmen anfingen. Aber nun seht auch auf unser Parterre, wie sich auch dieses in gleichem Maße außerordentlich erweitert hat und wir nun dastehen wie drei Punkte, die man in einem so großen Raume kaum bemerkt. Wie gefällt euch diese Geschichte?
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Ihr saget: Fürwahr, diese Metamorphose oder vielmehr diese echt theatralische Phantasmagorie ist noch das Beste und Sehenswürdigste dieses ganzen Himmels, obschon man dabei so ganz nüchtern sagen muß, daß einem bei dieser außerordentlichen Vergrößerung der Gegenstände ein wenig unheimlich zu Mute wird oder, wie man auf der Erde zu sagen pflegt, die Sache hört auf, ein Scherz zu sein.
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Gut gesagt; ich habe es euch ja gesagt, daß euch die Komödie etwas überraschen dürfte. Aber die eigentliche Komödie hat noch nicht angefangen. Diese Erscheinlichkeit ist bis jetzt gewisserart nichts anderes als das Aufziehen des Vorhanges auf den zuallermeist Ärgernis erregenden Theatern auf der Erde. Wenn ihr auf diesem Himmelstheater erst die handelnden Personen erschauen werdet, da werdet ihr noch größere Augen machen. Aber, wie gesagt, ihr müßt euch aus allem dem, das da noch kommen wird, eben nichts machen. Denn alles solches geht aus den gänzlich leeren Trugkünsten dieser Geister hervor.
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Sehet jetzt wieder auf das Podium hin, welch eine außerordentliche Ausdehnung in die Breite und in die Höhe es bekommen hat, ja es hat gegenwärtig eine scheinbare Höhe wie etwa von eurer Erde bis zum Monde hin, das heißt der Erscheinlichkeit nach. Jetzt ist es aber auch schon in seiner völligen Aufgeblähtheit da, und es wird sich daher im Hintergrunde auch sobald ein Komödiant zeigen. Sehet nur hin, er kommt mit einem Fuß schon hinter der Kulisse hervor. Seht, nun ist er schon ganz zu sehen; aber ich bemerke, daß ihr euch sogar ein wenig zu entsetzen anfanget. Was ist es denn?
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Ihr saget: Höre, Freund, das ist ja eine unmenschliche Menschengestalt. Fürwahr, wenn solch ein Riese auf der Erde stünde, so ginge es sogar dem Monde schlecht. Wir können ja nicht einmal seine entsetzliche Größe, trotz seiner großen Entfernung im Hintergrunde, auf einmal überschauen, und nur das unsinnig große Schwert, das er in der Hand hat! Fürwahr, mit diesem könnte er doch mit der geringsten Mühe von der Welt die ganze Erde wie einen Apfel entzwei hauen. Freund und Bruder, wenn der sich etwa uns nahen sollte, da wären wir fast der Meinung, daß es vielleicht besser sein dürfte, sich eher noch aus diesem etwas zu großartigen Staube zu machen, als bis uns dieser wahrhaftige Siriuskomödiant mit seinem Ehrfurcht einflößenden Schwerte erreichen möchte.
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O meine lieben Freunde und Brüder, das muß euch durchaus nicht furchtsam machen, denn hier im Reiche der Geister haben wir Diener des Herrn nicht selten noch ganz andere Gefechte zu bestehen als dieses da ist, wovon ihr selbst nur erst kaum den ersten Anfang erschauet. Wartet nur erst, bis diese Helden sich mehr gegen den Vordergrund, mit allerlei Waffen versehen, ziehen werden; dann erst werdet ihr das Riesenhafte dieser Theaterhelden erschauen. Ihr seht nun auch unseren vormals kleinen Abrahams-Tisch in ähnlicher Weise ausgedehnt. So werdet ihr auch sehen, wie sich gar bald, unbekümmert um uns, einige riesenhafte Tafeldiener zeigen und diesen Tisch mit verhältnismäßig riesenhaften Früchten bestellen werden, worauf dann bald ähnliche Riesengäste sich zum Tische setzen werden, und ihr werdet da Meisterstücke in der Fresserei sehen, indem ihr da im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung nach wahre Weltenfresser vor euch erschauen werdet. - Für heute aber begnüget euch mit dem bisher Geschauten; nächstens soll erst die Hauptkomödie folgen, und somit gut für heute!