Die Geistige Sonne
Band 1
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 75 -
Gang in den Klosterhimmel
Ihr fraget hier wohl und saget: Lieber Bruder und Freund! Wo ist wohl hier dieser Himmel? Ich sage euch: Wir werden gar nicht weit zu gehen brauchen, um seiner ansichtig zu werden. Da sehet nur einmal vor uns den ansehnlichen Palast und dort in der Mitte über einer Stiege ein kleines Pförtchen, gerade in der Mitte des Palastes angebracht. Das ist der Eingang zum Himmel; denn solches müßt ihr ja wissen, daß der Himmel und das Paradies nicht weit voneinander entfernt sind. Ihr fraget nach Petrus und Michael, ob sich auch diese hier einfinden. Sie werden nicht mangeln, aber sie sind nicht vor, sondern hinter der Türe. Wir wollen hier nicht gewaltsam in den Himmel dringen, und so werdet ihr bei unserm Anklopfen sogleich des Petrus und des Michael gewahr werden. Gehen wir denn an das Pförtlein und klopfen dort an, damit uns in den Himmel der Einlaß werde.
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Wir sind an Ort und Stelle. So gebet denn acht, welch eine Frage wir durch das verschlossene Pförtlein vernehmen, wenn ich anklopfen werde. Und so denn klopfe ich an; und höret, der ,,Petrus" ist schon gegenwärtig und fragt: Woher? - Von oben oder von unten? - Ich spreche: Von oben. - Der ,,Petrus" spricht: Wie der Name? - Ich spreche: Bote des Herrn! - Der Petrus fragt weiter: Was für eines Herrn? - Ich spreche: Ich kenne nur einen Herrn, nämlich Jesum Christum!
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Der Petrus spricht: Du bist ein Lügner; wie kann dich Christus von außen her gesandt haben, nachdem Er doch nur hier im Himmel wohnt und sitzet zur rechten Hand des Vaters? Wärest du also von Ihm ausgesandt, so müßtest du hier vom Himmel ausgesandt sein. Du aber kommst mit fremder Stimme von außen her, somit bist du ein Lügner und Betrüger und ein allerderbster Sünder wider den hl. Geist; daher, marsch, mit dir hinab in die Hölle und mit jedem, der mit dir ist!
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Spreche ich: Höre, du blinder Himmelswächter, du trügst dich gar gewaltig. Weil du mich aber fragtest, woher und wessen Namens ich bin, so frage ich auch dich, wer du bist, darum du dir sogleich das Verdammungsurteil anmaßest, während solches der Herr doch allen Seinen Aposteln auf das eindringlichste widerraten hat.
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Der Petrus spricht: Ich bin Petrus, ein Fels, auf welchen Christus Seine Kirche gebaut hat, und diese Kirche werden solche Boten von unten, wie du bist, nicht überwältigen; daher harrest du umsonst auf den Einlaß.
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Ich spreche zu ihm: Für was würdest du mich dann halten, wenn ich trotz deiner himmlisch petrischen Gewalt diese Türe einbrechen und mich deines Himmels vollends bemächtigen würde?
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Der Petrus spricht: O du abscheulicher Teufel aller Teufel! Versuche nur, einmal an die Schnalle zu greifen, du wirst es bald verspüren, wie heiß diese ist. Ich kann dich aber schon im voraus versichern, daß dir diese Schnalle in einem Augenblick eine bedeutend größere Qual verursachen wird als tausend Jahre in der untersten Hölle.
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Spreche ich zu ihm: Höre, das kommt nur auf einen Versuch an. Und so denn greife ich deine gefährliche Schnalle an und siehe, die Türe ist geöffnet. Ich kann dich versichern, daß ich fürs erste keinen Schmerz empfand, und fürs zweite habe ich dein Pförtlein überwältigt und frage dich darum nun von Angesicht zu Angesicht, für wen du mich hältst, da ich deine Felsenpforte mit meiner Pforte überwältigt habe? Nun rede!
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Der Petrus spricht: Was soll ich angesichts eines solchen Frevlers reden, der die heilige Wohnung Gottes und Seiner Heiligen mit seinen allerabscheulichsten Füßen höhnend tritt?
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Spreche ich: So redest du als Petrus zu mir? Weißt du nicht, daß Christus Seinen Aposteln befohlen hat, daß sie sanft gleich den Tauben sein sollen? Und du bist hier so derb wie ein Kettenhund! Wenn du wirklich der Petrus bist, so wirst du wohl wissen, daß der Herr Seinen Aposteln und Jüngern nichts so sehr anbefohlen hat wie die wahre Demut des Herzens, die größte Sanftmut des Gemütes und die vollkommene Liebe des Nächsten. Wenn nun ich, als ein vermeintlicher Teufel, dich dessen erinnere, bin ich demnach als solcher der göttlichen Wahrheit nicht näher denn du, der du dich doch für den Petrus hältst und wähnst, ein Taglöhner des Himmels zu sein? Aber das Wort des Herrn in seiner Werktätigkeit ist dir fremder als der Mittelpunkt der Erde; daher fordere ich dich noch einmal auf, mir bei dem lebendigsten Namen des Herrn die vollkommene Wahrheit zu gestehen und mir kundzugeben, wer du seist?
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Der Pseudo-Petrus spricht: Höre du, abscheulicher Teufel, du bist keiner Antwort wert; und verläßt du nicht augenblicklich diese Stelle, so rufe ich sogleich alle himmlischen Mächte zusammen, und zwar zuerst alle Heiligen. Wirst du vor denen noch nicht fliehen, so rufe ich alle Engel, und wirst du dich auch denen widersetzen, so rufe ich die allerseligste Jungfrau Maria und den hl. Joseph, und solltest du vor denen etwa auch noch nicht fliehen wollen, so rufe ich die Dreieinigkeit selbst. Dann wird sich wohl zeigen, wer da mächtiger ist, du oder die heilige Dreieinigkeit! Daher mache nicht Säumens und fahre lieber gutmütig hinab zu deiner verfluchten Hölle. Denn wenn du es darauf ankommen läßt, daß alle die himmlischen Mächte über dich kommen werden, so wirst du, mit glühenden Ketten geknebelt, samt deinen Spießgesellen mit vertausendfachter Qual hinabgeworfen werden in die unterste aller Höllen, allda du in solcher vertausendfachter größerer Qual ewig brennen, sieden und braten wirst.
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Spreche ich zu ihm: Höre, wenn du mir auf meine Frage, die von der wahren Liebe des Herrn begleitet ist, solche Antworten gibst und mir sogar mit allen deinen himmlischen Mächten drohst, da muß ich mir schon die Freiheit nehmen, ohne deine Erlaubnis mit meinen Spießgesellen in deinen Himmel einzudringen und mich davon zu überzeugen, ob da all deine himmlischen Mächte ernstlich imstande sein werden, deine Drohung mir angedeihen zu lassen.
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Nun höret, auf diese meine Äußerung erhebt der Petrus ein jämmerliches Geschrei und stellt uns den Michael entgegen. Er aber rennt zurück und ruft alle die himmlischen Mächte auf einmal zu Hilfe. Wir aber geben dem Michael einen kleinen Stupfer, und sehet, auch er rennt dem Petro nach, und die Treppe ist frei. Gehen wir daher nur geradewegs hinauf. Ihr werdet euch sogar überzeugen, daß Petrus und Michael samt den anderen himmlischen Mächten sich aus lauter himmlisch bescheidener Politik hübsch in den Hintergrund des Himmels begeben werden.
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Nun sehet, da sind wir ja schon, und der Himmel in einem eben nicht sehr ausgedehnten Maßstabe steht offen vor unseren Augen, wie er in der irrigen Begründung dieser Himmelsbewohner vorhanden ist. Was sagt ihr zu diesem Himmel? Wie ich sehe, zucket ihr mit den Achseln und saget: ,,Nein, soll das auch ein Himmel sein? - Da hätten wir uns aus dem früheren Paradiesgarten bei weitem eher einen Himmel herausgeschaut, als aus diesem höchst patzig-theatralischen Kulissentandelmarkt. Fürwahr, so dumm hätten wir uns diese Himmelsbewohner denn doch nicht vorgestellt. Wenn sie allenfalls noch eine Peterskirche zu Rom zu einem Himmel maskiert hätten, so wäre solches für einen gewissen Grad von Blindheit noch verzeihlich. Aber diese höchst plumpe und gemeine Darstellung würde auf der Erde kaum die Ehre haben, daß sie den allerdümmsten Bauernkindern einen Beifall abnötigen möchte und würde daher von einem nur etwas besseren Menschenteile über Hals und Kopf ausgepfiffen.
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Wie es sich hier zeigt, so stellen die höchst gemeinen, zusammengesteckten Tische, gewisserart im Parterre des Himmels, den Tisch Abrahams, Isaaks und Jakobs dar; und vorne befindet sich statt einer Plastik nur ein schlecht gemaltes Bild, Abraham, Isaak und Jakob darstellend. Was auf dem mit Wolken-Kulissen bestellten Podium dieses Himmelstheaters die ,,Dreieinigkeit" betrifft, so ist diese ebenfalls wie aus grobem Pappendeckel geschnitten und dann, grob und höchst unkünstlerisch bemalt, mit einem sichtbaren plumpen Nagel an den Hintergrund befestigt. Und diese Patzerei von den die hl. Dreieinigkeit tragenden Cherubimen und Seraphimen! Das Beste ist noch das große, runde, mit gelbem Glase versehene Fenster hinter der Dreieinigkeit." - Ja, meine lieben Freunde, ihr habt recht gesehen und möchtet aber nun auch wissen, warum es hier mit dem Himmel gar so kläglich aussieht?
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Ich sage euch: Solches hat alles seinen guten Grund; und ihr habt schon im Garten vernommen, wie dort die Mißlichkeit des Himmels gehörig verdeckt werden muß, damit die Paradieseinwohnerschaft nicht zu einem allfälligen Aufstande gereizt werde, und zwar besonders von seiten der diensttuenden Engel. Solches ist jedoch hier weniger zu berücksichtigen; denn ein Trug zieht immer den andern nach sich. Wir werden bei der nachfolgenden Betrachtung aber ganz klar dahinterkommen, warum sich dieser Himmel so höchst plump und materiell gestaltet. Daher wollen wir auch solches mit der Gelegenheit uns zu eigen machen. Denn das könnt ihr schon im voraus annehmen, daß die Klausur auch einen sehr klausierten Himmel hat.
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Da aber in einem solchen Kloster gewöhnlich zwei Parteien wohnen, nämlich die wirklichen Mönche und die Hausknechtsarbeit verrichtenden Laienbrüder, so wird auch dieser Himmel, nach welchem die Mönche durchaus keinen Appetit haben, zumeist von den bewohnt, welche mit ihm, wenn sie nur gehörig zu essen haben, auch völlig zufrieden sind, weil sie sich, zufolge ihrer außerordentlichen Laienhaftigkeit, nie einen besseren haben vorzustellen vermocht. Sie gehören zu jener höchst finsteren katholischen Klasse, welche ein ganz schlecht geschnitztes und gemaltes Bild für viel wunderwirkender hält als ein ästhetisch meisterhaftes. Daher werdet ihr auch schon beobachtet haben, daß die sogenannten wundertätigen Gnadenbilder zumeist allerbarste Karrikaturen sind. Also wäre für diese Himmelsbewohner ein solcher Himmel, wie wir jüngst einen geschaut haben, viel zu schön, daher auch bei weitem nicht so wahrhaft und allmächtig wirksam.
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Kurz, wir wollen uns hier vorderhand in keine weitere Zergliederung dieses Himmels einlassen, denn er wird uns mit der nachträglichen, sukzessiven Enthüllung dieser Himmelsbewohner ohnedies noch ganz klar und ausführlich auseinandergesetzt werden. Ihr werdet hier im buchstäblichen Sinne eine sogenannte himmlische Komödie noch aufführen sehen. Solches werden diese Bewohner bald beginnen, um uns aus ihrem Himmel zu treiben, und wir werden bei der nächsten Gelegenheit einer solchen Komödie beiwohnen.