Gottes Neue Offenbarungen

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 6

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr und die Tempelpriester
(Ev.Joh. Kap.5)

- Kapitel 132 -

Des Hauptmanns Klage über den Krieg im Tierreiche

Der Hauptmann führte uns längs des Stromes auf einen kleinen, spärlich mit Palmen bewachsenen Hügel, von dem aus man eine gar herrliche Aussicht ringsum in die weite Ferne genoß und den Strom in seinen großen Krümmungen weithin, beinahe bis in die Gegend von Serrhe, überblickte. Da ließen wir uns auf den Rasen nieder und weideten uns eine Zeitlang an der wirklich schönen Fernsicht, und der Hauptmann erzählte da ein Faktum ums andere, was sich irgend hier und dort ereignet hatte, und alles hörte ihm aufmerksam zu; denn er war ein guter Redner und der griechischen Sprache sehr mächtig, die jeder in der Gesellschaft wohl verstand, weil diese Sprache nahezu in ganz Vorderasien die allgemeinste war.
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Während sich aber der Hauptmann noch in seinem Erzählungseifer befand, da begab es sich, daß ein wahrer Riesenadler ganz nieder über uns hinwegflog und ein Kaninchen als Beute in seinen mächtigen Krallen hielt.
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Da sagte der Hauptmann zu Mir: ,,Erhabenster und wundervollster Heiland, siehe, das war wieder so ein Stückchen der traurigen Naturgeschichte, aus dem man auf der ganzen lieben Erde nichts als Feindschaft über Feindschaft erblickt! Ein Tier ist des andern Feind, und das pflanzt sich fort bis zum Menschen herauf, der am Ende noch der größte Feind von allen andern Dingen und Wesen ist, ja sogar seinesgleichen nicht schont in seinem Zorn und Grimme. Nur gleiche Gattungen von Tieren scheinen eine Art unfeindliche Liebe zueinander zu haben; aber ungleiche Gattungen sind sich gegenseitig stets die größten Feinde. Das gibt aber für einen allweisen und allgütigen Gott offenbar ein schlechtes Zeugnis.
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Hat denn der allweiseste und allmächtige Gott den Tieren kein anderes Futter auf der Erde bereiten und geben können als bloß das, daß sie einander gegenseitig töten und dann mit dem Leichname sich sättigen? Was Übles wohl hat das arme Kaninchen dem Aare zugefügt, daß der es darob in seine mächtigen Krallen faßte und nun irgendwohin trug, um es dort bei noch lebendigem Leibe zu zerfleischen und aufzufressen? Und so gibt es eine Menge solcher Raubtiere, die sich nur vom Fleische und Blute anderer, schwächerer und sanfterer Tiere nähren. Könnten sie denn nicht ebensogut wie die Ochsen, Esel, Ziegen und Schafe sich vom Grase ernähren?
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Es ist die Erde wahrlich wunderbar schön und geschmückt mit allem, was nur des Menschen Sinne erquicken kann; aber kaum hat man sich irgendwo ein sicheres und ruhiges Plätzchen ausgesucht, um am selben sein Gemüt mit erhebenden Betrachtungen zu erheitern, so hat einem irgendein böses und neidisches Fatum eine Szene vor die Nase hingestellt, die einem alles Schöne und Erhabene auf viele Tage hin verleidet.
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Ich bin zwar ein Soldat, ein Krieger, und es steht mir gar nicht gut an, daß ich so weichherzig bin, - aber ich bin einmal so beschaffen und kann es da von irgendeinem allweisen, allgütigen, allmächtigen Gottwesen, so es irgend eines gibt, unmöglich begreifen, wie es an der gegenseitigen und beständigen Würgerei und Auffresserei seiner sein sollenden Geschöpfe eine Lust haben kann. Es muß wahrlich ein Gemüt haben wie diejenigen Menschen in Rom, die nichts mehr in der Welt ergötzt als die wilden Stiergefechte und andere haarsträubend gräßliche Tierhetzereien.
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Ist aber der große, allein wahre Gott, den du, lieber Freund, uns näher kennen lehren willst, ein solcher Patronus, dann verschone uns alle mit Seiner näheren Bekanntschaft und noch mehr mit einem ewigen Leben unter Seiner Herrschaft; denn das wäre mein letzter und schrecklichster Wunsch! Da wärest du selbst als ein Gott mir äonenmal lieber! Ja, ich meine, daß ähnliche Erfahrungen auch am Ende den sonst so weisen Diogenes bestimmt haben, alles zu fliehen und zu verachten, was nur irgend nach einem allmächtigen Gotte roch.
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Er sagte ja einmal in irgendeiner Weisheitsschule, in der man nach Plato des Menschen Würde und Größe so recht oratorisch herausstrich, indem er eine ganz gerupfte, aber noch lebende Gans ausließ: ,Da, da habt ihr die Würde des platonischen Menschen!` Der eigentliche Mensch hat vor diesem Tiere nichts voraus als die armselige Vernunft, die ihm dazu dient, den Schmerz desto tiefer zu empfinden, wenn ihm von allen Seiten her die Lebensfedern ausgerauft werden!
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Herr und wunderbar großer Meister in deiner geheimen Kunst, kannst du uns darüber eine genügende Erklärung geben, so wirst du uns eine große Wohltat erweisen! Mir aber wäre es nun schon lieber, wir gingen wieder in unser Haus; denn es könnte sich hier leicht noch ein gleicher naturgrausamer Fall ereignen, und das würde mich auf Tage lang verstimmen und unglücklich machen."

Fußnoten