Das Grosse Evangelium Johannes: Band 1
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
In Kana im Tale
- Kapitel 228 -
Jairus mit den Ärzten am Sterbebett seiner Tochter Sarah. Borus von Nazareth sagt ihm die Wahrheit. Drohung der Pharisäer. Des Borus Antwort und Frage an Jairus
Als wir den ziemlich bedeutenden Hügel erstiegen, der sich oberhalb der großen Bucht erhebt, an dessen Fuße die bekannte Herberge erbaut ist, und über den die Hauptstraße nach Jerusalem führt, so ersahen wir in weiter Ferne das Kapernaumer Schiff mit den Wogen kämpfen, und da der Wind es stets mehr und mehr zu beunruhigen begann, so hob es die Ruder in die Luft und ließ sich also in gerader Linie dem Kapernaumer Hafen zutreiben.
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Es läßt sich von selbst denken, welches Gesicht ein Jairus wird gemacht haben, als ihm die von ihm an Mich gesandten Boten die Nachricht brachten, die Ich ihnen durch Baram habe zukommen lassen.
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Jairus berief schnell alle Ärzte von weiter Umgegend zusammen, - auch der von Nazareth ward geholt; denn dieser stand als gleichsam ein Jünger von Mir im besten Rufe als ein Wunderarzt, indem er sonst auch wirklich durch bloße Händeauflegung sehr schwer Kranke augenblicklich geheilt hatte.
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Als aber der nach Kapernaum kam und die kranke Tochter besah, da fing er ganz gewaltig an, mit den Achseln zu zucken, und sprach nach einer Weile zu allen am Krankenbette stehenden Ärzten: ,,Der kann nur Der Hilfe bringen, der sie erschaffen hat! Seht, das Mädchen hat in großer Erhitzung bei irgendeinem Feste einen kalten Trunk gemacht und bekam dadurch die laufende Lungenfäule; in längstens sieben Tagen ist und muß es mit ihr gar sein! Wir können ihr keine neue Lunge erschaffen und somit ihr auch um die ganze Welt nicht helfen!"
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Sagt Jairus: ,,Was meinst du, könnte das Übel der als göttlich berühmte Jesus, der diese meine Tochter schon einmal vom wirklichen Tode erweckt hat, gleichwie Er auch die Tochter des Obersten Kornelius erweckte, bei dem vor etlichen Tagen meine Tochter dieses Übel bekam, auch nicht mehr heilen?"
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Sagt der Arzt von Nazareth: ,,O ja, Der wohl, so Er es wollte! Aber da habt ihr ja schon Boten hingesandt, glaube nach Kis, wo Er Sich nun zumeist bei Jonah aufhält; aber Er hat euch mit allem Grunde und Rechte eine abschlägige Antwort zukommen lassen, derwegen wir dann erst hierher berufen worden sind und können nichts mehr wirken!"
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Sagt Jairus: ,,Ich habe Ihn doch auf das allerhöflichste bitten lassen; und Er, der nichts als Liebe predigt, und wie man sogar seinen Feinden Gutes tun soll, gibt meinen an Ihn gesandten Boten eine solche Antwort!"
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Sagt der Arzt von Nazareth: ,,Keine andere, als die ihr alle, die ihr euch Diener des Allerhöchsten nennt, vom Grunde aus verdient habt! Sage mir, wie soll ein Mensch denn beschaffen sein, um bei einer solchen Benehmungsweise von eurer Seite euch noch ein Freund bleiben zu können?! Wahrlich, Gott Selbst könnte euch nicht mehr Wohltaten erweisen, als der rein göttliche Jesus euch im höchsten Vollmaße erwiesen hat! Was aber tatet ihr Ihm dafür?! Ihr verfolgtet Ihn wie einen gräßlichsten Verbrecher, und hättet ihr Seiner habhaft werden können, so hättet ihr Ihn auch schon lange getötet; weil Ihn aber offenbar Gottes Hand schützt, so tatet ihr doch das, was ihr nur immer gegen Ihn Arges tun konntet.
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Was hat euch Seine arme und überaus fromme und gottesfürchtige Mutter Maria getan, daß ihr derselben ihr ohnehin sehr kleines Häuschen mit den paar kleinen Gärten wegnehmen mußtet und sie dann noch unter öffentlicher Verspottung wegtriebet mit den Kindern Josephs, als ob sie eine gemeinste Verbrecherin wäre?!
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Warum, frage ich nun, habt ihr das getan?"
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Sagt Jairus: ,,Weil Er uns allenthalben verdächtigt hatte und geschimpft hatte über die Priester und über den Tempel Gottes, und da wird etwa doch Grund genug vorhanden sein?!"
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Sagt der Arzt von Nazareth namens Borus, der von Geburt ein Grieche war: ,,Ah - ?! Höret! Ich bin, wie ihr alle wißt, ein Grieche und habe also mit eurer Theologie nichts zu tun, obwohl sie mir durchaus nicht fremd ist. Weit entfernt bin ich, euren Moses und all die andern von euren Ahnen samt und sämtlich mißhandelten Propheten zu tadeln; denn ihre Lehren und Ermahnungen sind durchaus keine andern, als die mein innigster Freund Jesus euch vorgerupft hat, und sind daher auch voll Wahrheit und voll göttlichen Geistes.
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Betrachtet aber dagegen eure gegenwärtige Theologie und eure unter aller Kritik elendesten Tempelsatzungen und die löbliche Einrichtung des Tempels selbst, und ihr müßt selbst laut ausrufen:
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Leset neben euren gegenwärtigen Satzungen nur den alleinigen Propheten Jesajas und fahret aber danebst in einen lebendigen Glauben, laut dessen euch Jehova, Moses und die Propheten denn doch als ein bißchen mehr erscheinen müssen denn bloß als eine für eure habsüchtigen und wohllebenliebigen Zwecke gut dienliche Fabel, so müßt ihr ja doch selbst zurückschaudern vor dem schreiendsten Frevel, den ihr an der heiligen Stätte treibt!
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Wenn euch aber der göttliche Jesus, mit dem Gott doch mit Händen zu greifen wirkt, nun gleich einem Jesajas eure ungeheuren Gebrechen vorhält und euch als ein wahrer Freund wieder zu dem Gott zurückführen will, von dem ihr euch zu schmeißlich weit entfernt habt, - Frage: Verdient Er darum solch eine Behandlung von euch?!
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Wahrlich! Wäre mir Seine unbegreiflich wahrhaft göttliche, ich möchte sagen - Allmacht eigen, wir wären miteinander schon lange fertig und im reinen, so wie die zehn Schiffe nun an den Klippen zu Sibarah im reinen sind, die ihr menschenfreundlichsterweise gegen Ihn und Seine allerharmlosesten Jünger habt auslaufen lassen! Wahrscheinlich ist Ihm doch endlich einmal auch sogar Seine göttliche Geduld zu kurz geworden!
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Noch einmal gesagt: Wäre mir Seine vollwahre Allmacht eigen, ich hätte das ganze Meer Galiläas lange schon über euch alle getrieben und hätte euch gleich Mäusen und Ratten ersäuft!"
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Über diese sehr gerade Rede des Borus ergrimmen mehrere der hier anwesenden Pharisäer und sagen zu ihm: ,,Lege deiner losen griechischen Zunge einen Zaum an! Darum bist du nicht von Nazareth hierher berufen worden! Fürchte uns; denn wir haben Macht genug, dich zu verderben!"
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Sagt Borus: ,,Oh, das glaube ich euch ja von ganzem Herzen gerne; denn eure weltberühmte Menschenfreundlichkeit - - ist mir ein zu hinlänglicher Bürge! Aber freilich ist bei mir zufälligerweise ein großes Aber! Und diesem sehr bedeutungsvollen Aber zufolge hat Borus von Nazareth aber auch nicht die geringste Furcht vor euch!
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Borus ist zwar nicht also allmächtig wie ein göttlicher Jesus; aber er besitzt dennoch der geheimen Macht zur Genüge, euch alle in einem Augenblick zu verderben, und braucht dann dafür als Arzt niemandem eine Rechnung zu legen! Habt ihr mich verstanden?! Jesus aber ist ein Gott, und ich nur ein Mensch, und darum hat Er denn auch mehr Geduld als ich! Viel dürft ihr mir aber nicht machen, sonst ist es mit meiner Geduld zu Ende!"
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Hier zieht Borus ein Fläschchen aus der Tasche und zeigt es den giftigen Pharisäern mit den bedeutungsvollsten Worten: ,,Seht, diese Waffe ist mächtiger als zehn Legionen. Ich weiß mich zu schützen; aber wie ich es öffne, so seid ihr alle im Augenblick tot! Und sehet, auch über dies Fläschchen da steht das große, bedeutungsvolle Aber geschrieben! Wollt ihr mit mir nun was anfangen, so werden wir sogleich im reinen sein!"
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Die Pharisäer erschrecken ganz entsetzlich über den Anblick dieses todbringenden Fläschchens, in welchem ein höchst scharfes und schnell tötendes Gift aufbewahrt war, das bei seinem höchst scharfen und sich überaus schnell verbreitenden Geruch alles betäubt und tötet, dessen Nüstern es erreicht.
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Es war aber dies Gift ein Arkanum, das später ganz verlorenging; es ward aber dies Gift aus einem Strauche genommen, der hier und da im äußersten Indien wächst und daselbst, wo er vorkommt, eine weite Strecke um sich alles Leben vernichtet. Solches wissen die Pharisäer und sind darum nun ganz stumm vor Angst, und Jairus bittet den Borus, daß er dies Fläschchen wieder einstecken möchte.
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Borus tut es auch, sagt aber zum Jairus: ,,Freund, wie kann man aber einen Jesus, der dir eine nie erhörte Wohltat erwies, gar so schmählich verfolgen lassen!? Sage mir aufrichtig, ob du es denn wirklich nicht einsiehst, daß Er mit jedem Seiner heiligen Worte recht hat, oder willst du es im Ernste nicht einsehen?!"