Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 37 -
Das himmlische Mahl. Segnung der Neuerlösten und ihr himmlisches Heim
Wir kommen nun in einen am meisten gegen Morgen gelegenen Saal, der überaus groß und mit wahrer himmlischer Pracht ausgeschmückt ist.
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In der Mitte dieses Saales steht ein großer runder Tisch aus reinstem durchsichtigem Golde, der auf zwölf verschiedenartigen Edelstein-Füßen ruht. Um den Tisch sind ebensoviele Stühle aus reinstem Gold gestellt, als es nun Gäste in diesem Saale gibt. Der Boden des Saales ist so blendend weiß wie frischgefallener Schnee; und des Saales Decke, auf welcher die schönsten Sterne glänzen, ist hellblau. Der Fenster Zahl dieses Saales ist 24, und jedes Fenster ist 12 Fuß hoch und 7 Fuß breit. Durch sie dringt ein herrliches Licht in den Saal, und durch jedes Fenster zeigen sich Gegenden von nie geahnter Pracht und Anmut. Auf dem Tische liegen sieben Brote nebst einem großen Prachtbecher voll des köstlichsten Weines.
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Alle hier Eintretenden sind nun ganz weg ob der zu großen Herrlichkeit, die ihnen hier auf einmal so unerwartet entgegenkommt. Die Gesellschaft, die den Buchhändler zu ihrem Vormann hat, ist samt ihm vor lauter Hochachtung bis zum Boden gebeugt. Die dreißig, die kurz vorher nach der ihnen abgängigen Himmelspracht fragten, reißen nun Mund und Augen auf und finden keine Worte, mit denen sie diese Pracht genügend bezeichnen könnten.
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Nur unser Martin bleibt sich gleich und spricht, auf Mich hindeutend: ,,Liebe Brüder, was staunet ihr gar so gewaltig über dieses Saales enorme Pracht? Seht, mir ist sie ganz gleichgültig; denn wenn unser Herr und Vater nicht mit uns in diesem Saale wäre, so gäbe ich für den ganzen Saal nicht eine faule Orange. Nur Er ist mir alles; alles andere aber ist mir nun ohne Ihn nichts!
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So Er mit mir sich in der gemeinsten Strohhütte befände, wäre ich dort endlos seliger als allein in diesem herrlichsten Saale. Daher besticht mich dieses Saales Pracht auch gar nicht, sondern allein Er, Er, unser aller Vater, Herr und Gott! Ihm allein gebührt alle unsre höchste Achtung, Liebe, Bewunderung, Verehrung und Anbetung! Denn alle diese übergroße Herrlichkeit ist ja Sein Werk, ein Hauch Seines Mundes! Tue zwar jeder von euch, was er will - ich denke und tue einmal so!"
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Rede Ich: ,,Martin, du machst deine Sache gut und bist nun ein wahrer Paulus. Aber siehe zu, daß du selbst nicht noch einmal irgendwo schwach wirst und sagst: ,Aber wenn der Herr nur nicht gar so in einem fort bei mir wäre!` Ich werde dich aber darum dennoch nicht verlassen! - Nun aber setzet euch alle zu Tisch und esset und trinket! Dann harren schon gar mächtige Arbeiten unserer Hände. Es sei!"
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Sie tun nun alle nach Meinem Geheiß, und Ich breche das Brot und teile es unter sie. Und alle essen mit großer Liebe und dankbarster Regung ihrer Herzen dies wahre Brot des ewigen Lebens und trinken darauf alle den Lebenswein der Erkenntnis aus einem und demselben Becher und sind dabei munter und wohlauf. Denn nach dem Genusse des Weines bemächtigt sich aller ein so erhaben himmlisch-tiefweiser Sinn, daß alle darob vor Freude sich kaum zu helfen wissen und aus lauter Liebe kaum Worte finden, Mir zu sagen, wie über alle Maßen sie sich nun glücklich fühlen.
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Ich aber segne sie nun alle und erwähle sie zu Dienern und wahren Knechten Meines ewigen Reiches.
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Nachdem dies beendet ist, erhebt sich unser Bischof Martin und spricht: ,,Herr, ich habe etwas bemerkt, nämlich, als sollte auch ich mich von Dir trennen, um irgendeinem wichtigen Geschäfte zu obliegen. Tue Du, was Du willst, aber ich lasse nimmer ab von Dir! Herr, wo Du nicht mit mir bist, da ist rein nichts mit mir! Ich gehe ein für allemal nicht mehr von Dir; denn ich habe Dich nun zu überaus mächtig lieb! Also, ich bleibe einmal bei Dir!"
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Rede Ich: ,,Nicht so, Mein liebster Bruder Martin! Ich sage dir: nicht einen Augenblick lang sollst du von Mir entfernt sein, sowie auch kein anderer aus dieser Gesellschaft und keiner von all den Zahllosen, die Mich in ihren Herzen erkannt und aufgenommen haben! Andererseits ist es dennoch nötig, daß sich jeder scheinbar wie ohne Mich dahin verfügt, wohin Ich ihn bescheide, ansonsten seine Freude unvollkommen wäre und zwecklos sein Leben!
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Daher muß hier jeder sich der größten Tätigkeit befleißen und soviel als möglich Gutes wirken. Je tätiger da einer wird, desto größere Seligkeit wird ihm zuteil. Denn die Seligkeit besteht lediglich nur im Handeln nach Meiner festgestellten ewigen Himmelsordnung.
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Siehe da zum Fenster hinaus! Dort gegen Morgen in einem schönen großen Garten - nicht ferne von diesem Meinem Hause von Ewigkeit - ersiehst du ein gar niedliches Häuschen, das innerlich viel geräumiger ist, als es von außen her aussieht. Dorthin gehe und nimm es in deinen Vollbesitz!
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In einem Zimmer wirst du eine glänzend-weiße, runde Tafel finden. Diese Tafel besiehe du allzeit, so du von einem Geschäfte nach Hause kommen wirst. Denn von nun an wirst du dort stets Meinen Willen aufgezeichnet finden, nach dem du dich dann allzeit in deinem Handeln wirst zu richten haben. Wirst du das allzeit pünktlich erfüllen, was dir Meine Willenstafel in deinem Hause anzeigen wird, so wirst du bald über Größeres gesetzt werden; im Gegenteile aber nur über ein Kleineres, je nach deiner Willenskraft.
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Solltest du dich aber in irgend etwas nicht völlig auskennen, da komm hierher, und es soll dir in allem Bescheid gegeben werden. Wenn du Mich aber rufen wirst in deinem Hause, so werde Ich bei dir sein. Nun weißt du vorderhand alles, was dir zu wissen nottut. Gehe daher nun in dein Häuschen, dort wirst du das Nähere erfahren, danach du dich aber genau zu halten hast.
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Was Ich aber nun dir eröffnet habe, das eröffne Ich zugleich jedermann aus dieser Gesellschaft. Sehet alle hinaus, und das Haus, das ihr ersehet, ist dessen, der es ersieht! Dahin gehet und wirket, wie Ich soeben dem Bruder Martin, angezeigt habe, denn es wird ein jeder von euch in seinem Hause die gleiche Einrichtung antreffen. Es sei!"
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Bischof Martin kratzt sich zwar ein wenig hinter den Ohren, geht aber doch, wie Ich ihn beschieden, denn er meint, daß er Mich dort nicht haben und nicht sehen werde. Die andern der Gesellschaft, denen Meine Nähe noch zu überheilig vorkommt, gehen leichter, um sich gewisserart von dieser zu großen Aufregung ihres Gemütes zu erholen.