Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 192 -
Martins kluge Gegenrede an Satan. Satans Größenwahnerwiderungen auf Martins Vorschläge
Spricht Martin: ,,Armseliger, wie ich dich nun vor all diesen lieben Zeugen und Freunden des Herrn geduldig angehört habe, so erwarte ich von dir, daß du mich nun geduldig hören wirst. Denn ich sage dir im Namen des Herrn, daß wir nun eigentlich da sind, dir zu helfen für ewig, oder dich zu richten für immer!
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Viel sagtest du mir nun von deiner wahrlich höchst unglücklichen Lage und Stellung, in der du dich schon Äonen von großen Schöpfungszeiträumen befindest. Aber siehe, ich bin ein Hartgläubiger und sage gerade heraus, daß ich von all dem nicht den dritten Teil glaube!
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Daß es dir sicher sehr elend geht, ja manchmal sogar unaussprechlich schlecht, glaube ich dir recht gerne. Aber die Gründe deines großen Elends glaube ich dir durchaus nicht! Denn nur zu gut kenne ich nun des Herrn endloseste Güte, Liebe, Geduld, Sanftmut und die unbegreiflichste Herablassung zu uns, Seinen Geschöpfen! Wie könnte ich da nur im geringsten glauben, daß es Sein Wille sein könnte, dich rein für das entsetzlichste Elend in der ganzen Unendlichkeit geschaffen zu haben, indem es doch sonst nirgends ein Wesen gibt, das den Herrn solch einer furchtbar schrecklichen Härte zeihen könnte!
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Mir ging es auch, als ich in diese wahre Welt kam, gar nicht gut. Ich war elend, litt Hunger und Durst und wurde von der entsetzlichsten Langeweile geplagt, die aus Minuten Jahrtausende schuf. Aber das geschah alles, um mich zu erwecken und endlich einzuführen in das Reich der ewigen Herrlichkeit Gottes. In diesem Reiche erkenne ich stets mehr, wie alle die nur scheinbar elenden Zustände nichts als die größte Liebe des Herrn waren, auf daß ich durch sie geläutert und fähig wurde, die nunmalige Volliebe des Vaters in mich aufnehmen zu können.
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Hätte ich meinen herübergebrachten bischöflichen Hochmut früher abgelegt - was ich, wie ich es nun einsehe, leicht hätte tun können -, so wäre es mit mir auch schnell besser gewesen. Aber ich selbst war hart und wollte es nicht, weil der bischöfliche Hochmut mich belebte und aus dem heraus eine wahre Millionsinnlichkeit! Und so mußte ich wohl leiden, aber nicht aus dem Willen des Herrn, sondern rein aus meinem höchst eigenen Willen heraus - an dem du ewig keine Schuld tragen sollst und noch weniger der Wille des Herrn!
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So glaube ich auch fest, daß an deinem Elende niemand schuld ist als du ganz allein! Wolltest du in diesem Augenblicke dich zum Herrn wenden und als ein wahrhaft verlorener Sohn zurückkehren in den Schoß deines heiligen, ewigen Vaters: - für ewig will ich an deiner Statt das elendste Wesen der Unendlichkeit sein, so Er dir nicht augenblicklich mit liebeerfüllten Armen entgegenkäme und dich unter der größten Festlichkeit aller Himmel als Seinen liebsten Sohn aufnähme!
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Durch dich selbst, ärmster Bruder, tue das, und dein großes Elend hat augenblicklich ein Ende! Vergib mir auch, daß ich oft hart war und legte meine Sünden dir zur Last! Ich nehme nun alles auf meine Rechnung und will dir ewig gut sein, so du meinen Vorschlag annimmst und darnach handelst!
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Ich bekenne auch, daß ich gar nicht wert bin, dir als dem ersten und größten Geiste aus Gott solch einen Vorschlag zu machen. Denn ich weiß, daß in dir noch jetzt in deinem Gerichte endlos mehr Weisheit und Stärke ist, als ich, ein wahres Nichts gegen deine Größe, je werde begreifen können. Aber eben darum, weil ich dich deiner Größe wegen so schätze und als den Erstling Gottes hoch verehre, wünsche ich gleichwie alle Himmel, daß du endlich einmal zu deinem Gott, zu deinem Vater umkehren möchtest!
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Es sind ja schon Ewigkeiten verronnen, in denen du stets bemüht warst, dich über den ewigen, allmächtigen Gott zu schwingen durch alle Mittel, die deiner tiefsten Weisheit und übergroßen Macht nur möglich waren! Du hast durch sie nicht nur nie etwas erreicht, sondern bist nur allzeit elender, schwächer und armseliger geworden. In nichts bist du dadurch reicher geworden als in dem nur dich selbst verzehrenden Grimm und Zorn gegen Gott.
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Wohl zahllose Male hast du schon gleiche und auch bessere Einladungen bekommen, wie diese meine nun ist. Aber sie gingen fruchtlos an deinem mir unbegreiflichen Starrsinn vorüber. Aber siehe, einen elenderen Boten hast du sicher noch nie in solcher Absicht vor dir gehabt, als mich nun; mache daher nun eine Ausnahme und kehre mit mir um!"
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Spricht Satan: ,,Du hast nun wahrlich sehr artig und nett geredet. Ich vergebe dir darum auch alle deine Grobheiten, die du mir angetan hast. Was aber dein mir nur schon zu bekanntes Begehren betrifft, werde ich dir erst dann antworten können, wenn im ganzen unermeßlichen Schöpfungsraume keine Sonne und keine harte Erde mehr mein Wesen gefangenhalten wird.
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Denn mein Ich ist das unermeßliche All; dieses aber ist gerichtet. Wie kann ich des Gerichtes los werden in meiner Allheit? Was du hier vor dir siehst, ist nur der innerste Lebenskern meines für deine Begriffe endlosen Seins! Kannst du mir geben, was ich verloren habe, dann will ich dir auch unverzüglich folgen!"
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Martin starrt den Satan an und spricht nach einer Weile ganz ernst: ,,Ja, durchaus alles, armseligster Erstling aus Gott; also folge mir!"
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Spricht Satan: ,,Womit kannst du dein Versprechen mir als völlig wahr garantieren?"
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Spricht Martin: ,,Mit der endlosen Liebe Gottes, deines Vaters! Genügt dir diese?"
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Spricht Satan: ,,Freund Martin, du meinst es nach deinen beschränkten Begriffen wohl recht gut mit mir. Deine Garantie ist gut und annehmbar für Geister, die wie du endlich und beschränkt sind. Ob aber diese Garantie auch mir, der ich gleich Gott - wennschon aus Gott - ein unendlicher Geist bin, genügen kann, das ist eine andere Frage!
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Siehe, für eine Mücke wirst du bald und leicht Futter in Menge finden, aber nicht so leicht für einen Elefanten und noch weniger für den riesigsten Leviathan, der berggroße Brocken zu seiner Sättigung braucht!
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Und so ist die für dich unendliche Liebe Gottes für endliche Wesen wohl mehr als genügend groß, um sie alle für ewig zu sättigen. Aber für einen ebenbürtigen unendlichen Geist dürfte sie nur dann genügend sein, so sie nur ihn allein zu sättigen hätte!
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Aber neben ihm noch eine Unendlichkeit von zahllosen Wesen sättigen, von denen mit der Weile ein jedes Unendliches benötigen wird: siehe, da hat auch die unendliche Liebe der Gottheit notwendig ihre Grenzen, weil sie aus ihrer einen Unendlichkeit zwei Unendlichkeiten zu erhalten hätte, was da rein unmöglich wäre.
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Ich brauche selbst jetzt noch endlos viel durch den ganzen Schöpfungsraum physisch und moralisch, wo ich allerhärtest gefangen bin. Um wieviel mehr würde ich erst dann in meiner wiedergewonnenen Freiheit brauchen!
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Ich sage dir und auch euch allen, die ihr hier seid: Ich kehre euretwegen nicht zurück. Denn kehre ich zurück, so gehet ihr unter und zugrunde! Ich allein weiß, wie groß Gott ist, wieviel Er hat und was Er geben kann. Ich sehe es ein, daß Er mich und euch unmöglich zugleich erhalten kann. Daher bleibe ich lieber ewig elend, auf daß ihr als meine Kinder die mir allein gebührende Herrlichkeit genießen könnet - was ich euch auch von ganzem Herzen gönne!
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Ich sehe wohl ein, daß Gott unendlich gut ist; aber eben Seine zu unendliche Güte macht Ihn zum Verschwender! Würde ich aus Liebe zu euch, meinen Kindern, Ihm nicht die freilich sehr heiße Stange halten und Ihn manchmal beschränken in Seiner zu ungeheuren Großmut, so dürfte Er bald wieder auf die Erde gehen und dort bei Seinen harten Geschöpfen Brot suchen!
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Du siehst also, daß mir die endlose Liebe Gottes nicht als annehmbare Garantie dienen kann. Da mußt du mir schon eine andere geben, die mir mehr taugen wird als diese!"