Gottes Neue Offenbarungen

Die Geistige Sonne
Band 1

Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits

- Kapitel 58 -

Die Sehnsucht nach dem Herrn. Ein Liebes-Examen. Das heilige Ziel

Unser Hauptredner spricht: Lieber Freund und Bruder! Diese deine letzten Worte klingen wohl überaus tröstend; nur möchte ich dagegen bemerken, daß es mit dem rechten Ergreifen Christi sicher so lange einen etwas verdächtigen Umstand haben wird, bis Er vor mir stehen wird. Denn was da mein Herz betrifft, so habe ich Ihn mit demselben schon gar lange, wie auch diese ganze Gesellschaft, ergriffen; aber trotzdem wollte sich der liebe Christus von uns nicht wesenhaft ergreifen lassen. Und so brennen wir jetzt auch alle für Ihn und möchten Ihn ergreifen und Ihn dann vor lauter übermäßiger Liebe ewig nimmer lassen, nur fehlt zu dieser für uns allerseligsten Unternehmung nichts mehr und nichts weniger als eben der zu ergreifende Hauptgegenstand Selbst!
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Gut wäre es, lieber Freund, ja übergut, Christum aus allen Kräften zu ergreifen, ja mein ganzes Wesen und meine Hände sind seligst lüstern darnach; aber nur da soll Er sein, oder Sich wenigstens in dieser Gegend irgendwo auffinden lassen! Fürwahr, wenn es auf mich ankäme, so würde ich mir nichts daraus machen, aus Liebe zu Christo noch aus tausend solchen Himmeln hinausgeworfen zu werden; und mit dem obern Himmel hätte es wohl gar schon seine geweisten Wege. Wenn ich demnach nur versichert wäre, bei der tausendmaligen Hinauswerfung aus den Himmeln gerade zu den Füßen Christi geworfen zu werden. Aber wenn man dessen nicht vollends sicher ist, so gleicht meine Liebe zu Christo noch immer mehr oder weniger einem vergeblichen Umsichherschnappen nach dieser allerseligsten Lebensluft, wie wenn man sich in einer Sphäre befinden möchte, da entweder keine oder nur sehr wenig Lebensluft vorhanden ist.
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Der vermeintliche Tafeldiener spricht: Hast du denn hierzu wenig Luft zum Atmen, weil du also sprichst, als müßtest du nach der Lebensluft schnappen?
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Unser Hauptredner entgegnet: Mein lieber Freund und Bruder, ich will doch nicht meinen, daß du mich unrecht verstehen solltest, denn es gibt eine zweifache Lebensluft, das heißt, lieber Freund und Bruder, nach meinem Verstande gesprochen. Eine Lebensluft, die hier in reichlicher Fülle vorhanden ist, ist die für den Lebensbedarf der Lunge; diese meine ich aber nicht. Das Herz aber ist auch ein höher atmendes Wesen, das heißt, wie ich es denn verstehe, es atmet nämlich Liebe aus und will daher auch wieder Liebe einatmen.
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Siehe, als ich noch als ein Mensch auf der Erde lebte, da ward ich, wie schon einmal bemerkt, in ein weibliches Wesen stark verliebt. Für meine Lunge hatte ich in diesem Zustande wohl überall genug Luft zum Einatmen. Wenn ich aber nicht in der Nähe dieses meines geliebten Gegenstandes mich befand, da war es mir dennoch trotz der Fülle der Lungenluft zum Ersticken. Befand ich mich aber wieder in der vollen Nähe meines geliebten Gegenstandes (du mußt es mir nicht verargen, wenn ich mich hier vielleicht eines unpassenden Ausdruckes bediene), da wäre mir die Luft, wenn es nicht anders hätte sein können, sogar eines Abtrittes zu einem wohlduftenden Äther geworden.
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Siehe, gerade so geht es mir auch hier und dieser ganzen Gesellschaft sicher nicht um ein Haar besser denn mir. Ich sage dir, räume alle diese himmlischen Herrlichkeiten hinweg und setze an diese Stelle, wo sich nun dieser Prachttempel befindet, eine ganz gemeine Bauernhütte. Gebe mir statt dieser weichen Prachtkleider eine ganz ordinäre Bauernjacke und schaffe für all diese üppigen Fruchtbaumalleen ganz dürftige Bäume und etwa ein mäßiges Korn- und Weizenfeld hinzu; aber stelle Christum zu allem dem, so wirst du mich glücklicher machen, als wenn du mir noch tausend endlos herrlichere Gebiete hier zu dieser Aussicht hinzufügen möchtest.
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Ja, ich will dir noch mehr sagen, was da mein Herz betrifft. Wenn ein solches Verhältnis möglich wäre, so wäre ich mit Christo auf dem armseligsten Erdwinkel, wenn dieser schon aussehen möchte wie eine Vorhölle oder gar die eigentliche Hölle selbst, noch ums Unaussprechliche glücklicher und seliger, als ohne Seine sichtbare, menschlich wesenhafte Gegenwart in dem allererhabensten und allerwundervollsten Himmel! Ich meine, lieber Freund und Bruder, das wird etwa doch klar genug gesagt sein.
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Unser vermeintlicher Tafeldiener spricht: Mein geliebter Freund, ich habe dich ganz gut verstanden, nur kommt es mir vor, daß du deine Liebe zu Christo deiner sinnlichen Weltliebe gleichzustellen scheinst. Da meine ich, es muß die Liebe zum Herrn doch ganz anders gestaltet sein als wie die zu einer angehenden Braut. Und da meine ich denn, solange du solche Liebe in deinem Herzen nicht scheiden wirst, wirst du auch Christum nicht recht lieben; solange du Ihn aber nicht recht lieben wirst, da meine ich, wird Sich Christus auch bedenken, dir zu erscheinen oder völlig zu dir zu kommen.
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Unser Hauptredner spricht: Mein lieber Freund, das ist viel leichter gesprochen als getan. Gebe in mein Herz noch eine zweite Liebe hinein, die des Herrn sicher würdiger sein wird, als diese da ist, in der ich jetzt lebe, und ich will diese alsogleich fahren lassen. Ich meine aber, wenn ich nun alle meine Liebe in mir vereinigt habe, auch diejenige, die ich einst zu meinem Weibe hatte, und habe diese vereinigte Liebe heimlich schon gar lange allein dem Herrn zugewandt, so, daß ich nun aus dem innersten Grunde meines Lebens sagen kann: Ich habe für Christus alles, was ich nur immer hatte, hergegeben; da kann ich ja vor der Hand doch nicht mehr tun. Wenn aber all diese Liebe des Herrn unwürdig ist, so habe ich dir ja eben gesagt: mir ist sie in jedem Augenblicke für eine des Herrn würdigere feil. Das aber kann ich beinahe unmöglich glauben, daß der Herr mit einer andern Liebe von unserer Seite will geliebt sein als gerade mit derjenigen nur, die Er Selbst in unser Herz gelegt hat.
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Wenn ich aber zurückdenke an alle die Lieblinge des Herrn bei Seinen irdischen Lebzeiten, so hat Er allda dennoch diejenigen am liebsten gehabt, welche sich Ihm mit der ganz gewöhnlichen kindlichen Herzensliebe genähert hatten. Also war der Johannes, der den Herrn sicher gar oft kreuz und quer abgeküßt und selbst noch beim letzten Abendmahl sich förmlich verliebtermaßen an Seine Brust hingelegt hatte, Sein Liebling. Dasselbe war auch der Fall mit Maria, einer Schwester der Martha, und nicht weniger mit der Magdalena, die in Ihn doch förmlich verliebt war; welch letztere eben zufolge dieser großen Liebe Ihn nach der Auferstehung zuerst ersah.
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Und das alleranschaulichste und handgreiflichste Beispiel hat der liebe Herr Christus ja bei der Gelegenheit gegeben, als man die kleinen Kindlein zu Ihm brachte, da er gesagt: ,,Lasset die Kleinen, und wehret ihnen nicht, zu Mir zu kommen, denn solcher ist das Himmelreich!" Siehe, die Kindlein wußten sicher nichts von einer höheren, des Herrn würdigeren Liebe, sondern mit der ganz kindlich natürlichen Liebe umfaßten sie den allmächtigen Herrn Himmels und der Erde. Und dennoch sagte der Herr darauf zu Seinen Aposteln und Jüngern: ,,Wenn ihr nicht werdet wie diese Kindlein hier, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel kommen!"
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Siehe, lieber Freund, solches gibt mir nun den vollen Mut, den Herrn mit meiner natürlich-kindlichen oder kindischen Liebe zu lieben, und wer weiß, ob Ihm diese meine zwar an und für sich höchst einfache Liebe dennoch nicht, von meiner Seite aus betrachtet, angenehmer sein möchte, als vermöchte ich Ihn mit der allerreinsten Seraphsliebe zu lieben. Ich möchte Ihn ja wohl auch mit der Seraphsliebe lieben, wenn ich sie hätte! - Wahrlich, ich würde sicher in dieser Hinsicht mein Herz zu keiner Liebesparkammer machen; so aber muß ich auch mit dem lieben Apostel Petrus ausrufen: ,,Mein lieber Christus! Siehe, Gold und Silber habe ich freilich in meinem Herzen nicht; aber was ich habe, das möchte ich Dir wohl alles geben, wenn ich Dich nur hätte!"
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Unser vermeintlicher Tafeldiener öffnet Seine Arme, breitet sie weit aus und spricht zu unserem Hauptredner, wie durch ihn auch zur ganzen Gesellschaft: Mein geliebtester Freund und Bruder! Ich habe dir ja gesagt: Erfasse du nur Christum recht, so wird Er auch da sein! - Du hast Ihn erfaßt, und so ist auch das eingetroffen, was Ich dir gesagt habe; denn Christus hat sich dir genaht, und du sollst fürder ewig nicht mehr aus Seiner Gesellschaft kommen, - und so denn magst du deinen Christus nach deiner Herzenslust umfassen!
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Unser Hauptredner fragt den noch immer vermeintlichen Tafeldiener, in seinem Gemüte höchst liebeaufgeregt: O lieber Freund, wo, wo ist Er denn, auf daß ich und meine ganze Gesellschaft hinfallen möchten zu Seinen Füßen?
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Und der vermeintliche Tafeldiener spricht: Freunde, Brüder! Hier steht Er vor euch; Ich bin es, den ihr in euren Herzen gesucht habet! Aber Ich war schon lange eher bei euch und habe euch gesucht und hierher gebracht. Also kommet denn her, und Ich will euch führen dahin, da Ich wohne unter denen, die Mich also lieben, wie ihr Mich liebet; denn wahrlich, Ich frage nicht nach Gold und Silber; aber nach der kindlichen Liebe zu Mir frage Ich! - Will Ich Pracht und Glanz, solches, Meine lieben Freunde und Brüder, steht wohl ewig in Meiner Macht, die ganze Unendlichkeit damit wunderprachtvollst auszuschmücken.
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Ich bin aber ein wahrer Vater zu euch, Meine lieben Kindlein, und daher sind Mir eure Herzen auch mehr, in all ihrer kindlichen Einfachheit, denn alle Pracht der Himmel! Und so denn folget Mir! -
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Nun sehet, wie sich jetzt plötzlich alles verändert hat. Unsere Gesellschaft umfaßt den Herrn, liebt Ihn und drückt ihre Herzen hin an den Vater, wie es die Kinder tun, wenn sie lange ihre guten Eltern nicht gesehen haben. Und der Herr führt sie wie ein guter Vater und lehrt sie unterwegs Selbst Seine Wunder kennen. Sehet, welche Seligkeit nun auf unserer Gesellschaft Angesichtern strahlet! Und unser Hauptredner macht noch einen Ausruf: O welche Reise ist das, wo der heilige Vater Seine Kinder hinführt, da Er wohnet! -

Fußnoten