Die Geistige Sonne
Band 1
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 48 -
Eine Prozession bei einer erscheinlichen Himmelsbesteigung
Sehet, wir sind schon heraus, und nun strömen auch die zur Himmelfahrt gehörig vorbereiteten und mit Palmzweigen versehenen Geister aus der Kirche. Ihnen folgt der Priester in seinem vollen geistlichen Ornate und mit der Monstranz in der Hand. Über ihm erblickt ihr, getragen von vier weißgekleideten männlichen Geistern, ebenfalls einen sogenannten ,,Himmel", und vor ihm reihen sich alle die Geister, einer euch bekannten Prozessionsfahne folgend. Und nun beginnt die Prozession mit den gewöhnlichen Prozessions-Zeremonieformen. Ihr vermisset sogar die Glöcklein nicht; ein Kruzifix wird vor dem Himmel getragen und von der ganzen Prozessionsgesellschaft wird das euch wohlbekannte: ,,Heilig, heilig, heilig ist unser Herr Gott Zebaoth" gesungen und gebetet.
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Nun sehet, der Prozessionszug bewegt sich eine kleine Anhöhe hinauf; dorthin wollen auch wir dem Zuge folgen. Diese Anhöhe ist sehr verführerisch, denn sie ist nicht sobald erstiegen, als man auf den ersten Augenblick meinen könnte.
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Dieser Weg, der da hinaufführt, ist der eigentliche ,,katholische Himmelsweg". Wenn man auf ihm auf die erste, uns sichtbare Anhöhe gelangt ist, dann erst erblickt man eine zweite, die wieder höher führt. Ist man auf dieser zweiten Anhöhe angelangt, so entdeckt man erst wieder eine dritte, und das geht so fort, je nach dem Gemütszustande der ,,Himmelauffahrenden", da sie manchesmal über mehr denn tausend solche verborgene Anhöhen steigen müssen, bis sie zur sogenannten ,,himmlischen Wolkenregion" gelangen.
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Nicht selten geschieht es dann auch bei einer solchen Himmelsbesteigung, daß manche des zu langen Weges überdrüssig werden. Sie wenden sich bei solcher Gelegenheit an den Geistlichen und fragen ihn, wie lange die Reise wohl noch dauern möchte. Der Geistliche gibt ihnen dann allezeit den Schrifttext zur Antwort, welcher also lautet: ,,Wer da verharret bis ans Ende, der wird selig!" Nach solcher Antwort geht dann der Zug wieder weiter.
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Haben sie wieder einige fünfzig Anhöhen bewältigt, so wird bei dem Geistlichen angefragt, ob man nach einer so langen Reise nicht ein wenig ausruhen dürfte. Da gibt ihnen dann der Geistliche folgende Antwort: ,,Betet ohne Unterlaß!" Solches besage in der geistigen Welt, daß man allda nimmer ruhen solle, wenn man einmal auf dem Wege zum Himmel ist. Denn solches wisse er ganz bestimmt, daß die Saumseligen und Lauen aus dem Munde Gottes ausgespieen und nicht eingelassen werden in das Himmelreich. Daher sollen sie nur alle ihre Kräfte zusammennehmen und weiterziehen, bis sie glückselig das Tor in den Himmel erreicht haben werden. Auf solch eine Mahnrede geht der Zug wieder weiter.
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Wenn etwa über die nächsten fünfzig Aufstiege der Geistliche selbst müde wird und auch seine ganze Gesellschaft kaum mehr zu steigen vermag, so spricht dann der Geistliche: Höret, ihr Schafe meiner Herde! Hier ist der halbe Weg; hier wollen wir Gott die Ehre geben und Ihm danken, daß Er uns diesen Punkt hat erreichen lassen.
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Auf solch einer Stelle macht dann alles halt, man kniet nieder und dankt nach der Meinung des Geistlichen Gott, und zwar zuerst Gott dem Vater, dann Gott dem Sohne und zuletzt Gott dem Heiligen Geiste.
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Wenn sich die ganze Gesellschaft auf diese Weise etwas erholt hat, so geht der Zug dann wieder weiter. Da aber der Geistliche es in den eigenen Füßen verspürt, daß er bei allfälligen weiteren Erhöhungen nicht leichtlich mehr einen rastlosen Marsch wird fortsetzen können, so kündigt er gleich hier an, daß bei der Übersteigung einer jeden künftigen Anhöhe eine ,,Passionsstation" gebetet wird. Bei solchen Gelegenheiten rastet er dann selbst aus. Wenn aber die zwölf oder im ungünstigen Falle vierzehn Stationen zu Ende sind und die nacheinander folgenden, stets etwas steiler werdenden Anhöhen noch kein Ende nehmen, so wird nach der letzten Station der Rosenkranz angeordnet und ebenfalls absatzweise auf die allfällig noch folgenden Anhöhen verteilt. Ist der Rosenkranz auf diese Weise auch zu Ende gebetet und unsere stets gewaltig steiler werdenden Anhöhen nehmen noch kein Ende, so wendet sich alles an den Priester und fragt ihn, was denn solches doch bedeute, daß diese Anhöhen bei all seinen Anordnungen dennoch kein Ende nehmen wollen?
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Da sagt der Geistliche: Ja, meine lieben Schafe meiner Herde, hier fängt es erst an, wo das Himmelreich Gewalt braucht; welche es mit Gewalt an sich reißen, die werden es besitzen. Zugleich aber ordnet der Geistliche auch an, daß man von da an auf einer jeden neu erstiegenen Anhöhe solle einen Psalm Davids beten. Und so geht dann der Zug ganz mühselig wieder vorwärts.
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Da aber unser Zug eben alle diese Schicksale mitmacht und an sich erfährt, so wollen wir ihn von dieser letzten Rosenkranzabsatzstation von Schritt zu Schritt verfolgen bis ans Ende.
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Sehet, die nächste Anhöhe ist schon sehr steil und braucht gewaltige Anstrengungen, um sie zu ersteigen. Nach langem, mühevollem Steigen hat unsere Gesellschaft die Höhe erreicht. Sehet, wie sich auf der kleinen, ebenen Fläche alle sogleich niederlegen, und der Geistliche selbst, ein Psalmbüchlein hervorziehend und die Monstranz unterdessen zur Seite setzend, beginnt den ersten Psalm so langsam als nur immer möglich zu lesen, damit er und die ganze Gesellschaft dadurch mehr Ruhezeit gewinnen sollen.
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Nun ist der erste Psalm gelesen, und unser Geistlicher nimmt wieder die Monstranz, sagt jedoch den vier Himmelsträgern, da sie hier dem wahren Himmel ohnehin schon sehr nahe sind, so könnten sie wohl füglichermaßen diesen kleinen Ehrenhimmel an Ort und Stelle lassen.
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Nach solcher Bestimmung erheben sich alle wieder und beginnen auch sogleich die mühsame Besteigung der nächsten Anhöhe. Wie ihr sehet, geschieht diese Besteigung beinahe mehr auf allen Vieren denn auf zwei Füßen, und unserem Geistlichen, dem Fahnenträger und dem Kruzifixträger fängt es an, recht übel zu ergehen. Daher läßt sich der Geistliche auch von mehreren Vorkraxlern, so gut es nur immer sein kann, hinaufziehen, die Fahnen- und Kruzifixträger aber gebrauchen ihre himmlischen Insignien statt eines Bergstockes.
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Mit großer Mühe und Anstrengung wäre wieder ein Absatz erstiegen. Die Fläche dieses Absatzes aber ist knapp so groß, daß unsere Gesellschaft nur mit genauer Not einen Rastplatz findet. Sie hat sich wieder gelagert, und der Priester beginnt nun den zweiten Psalm zu lesen. Wie ihr aber sehet, wird es ihm selbst schon ganz gewaltig bange; denn er erblickt vor sich wieder eine noch steilere Anhöhe, und wenn er hinabblickt, so fängt es ihn ganz gewaltig zu schwindeln an.
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Was soll er nun machen? Er wird in dieser Hinsicht von seinen Himmelbesteigungsgenossen auch mit Fragen bestürmt, zugleich wird er auch gefragt, wo denn die Staffeln in den Himmel sind? - Und er (Priester) spricht: Ich meine, diese gewaltigen Gebirgsabsätze sind die Staffeln; daher erfahret ihr hier selbst, wie rein von jeglicher Sünde man sein muß, damit sie einen nicht belaste auf diesen ganz gewaltigen Himmelsstufen. Ferner spricht er noch: Wir werden uns hier teilen müssen; denn es könnte ja leicht sein, daß wir auf der nächsten Stufe, weil sich der Raum immer mehr und mehr zu beengen scheint, nicht mehr alle Platz finden dürften, um dort unter dem Lobe des Herrn und der göttlichen Dreieinigkeit auszuruhen. Daher gehet ihr, die Beherztesten, voraus und rastet oben so lange aus, bis ihr sehen werdet, daß wir uns hier erheben, und besteiget dann sobald die nächste Stufe, falls sich noch eine vorfinden sollte.
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Und wie ihr mit euren Gemütsaugen selbst sehet, so erhebt sich auch die Hälfte der Gesellschaft und steigt abermals auf allen Vieren die schon sehr steile Anhöhe hinauf. Einige kommen hinauf, die andern, welche weniger kräftig sind, gleiten wieder zurück. Der Geistliche fragt die schon oben Befindlichen, ob es noch eine fernere Anhöhe gibt. Die rufen zurück: Sieg! Es ist keine Anhöhe mehr; wir stehen am Anfange einer großen Ebene. In weiter Ferne vor uns erschauen wir auch schon das himmlische Gewölk und in der Mitte ein starkes Licht; nur können wir noch nicht ausnehmen, was es ist.
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Nun sehet, alles erhebt sich auf dieser unteren Stufe, strengt alle seine Kräfte an, und der Geistliche bindet sich die Monstranz auf dem Rücken an und steigt, ebenfalls auf allen Vieren, so gut es nur sein kann hinauf.
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Endlich, nach vieler Mühe und Anstrengung, haben alle glücklich diese letzte Anhöhe erklommen, loben nun den Geistlichen und sagen: Das ist doch ein sicherer Beweis, daß niemand ohne einen solchen geistlichen Führer in den Himmel gelangen kann. Der Geistliche aber spricht: Meine lieben Kinder! Ja, also ist es wahr, weil es Gott Selbst so angeordnet hat; aber nicht mir, sondern Gott allein gebührt die Ehre! Denn wenn ich auf mich selbst zurücksehe, so habe ich euch gleichsam mehr durch einen frommen Betrug, als durch meine Erkenntnis hierhergebracht. Da aber der Herr Seinen Aposteln selbst die Schlauheit anempfohlen hat, so bin ich dadurch vor euch gerechtfertigt; und das Gelingen meiner Führung zeigt euch nun, daß ich euch nach der Lehre unserer alleinseligmachenden Kirche vollkommen redlich und getreu geführt habe. Lasset uns denn hier wieder in die vorige Ordnung treten und hinziehen zum ewigen Ziel!
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Der Zug beginnt, von neuem gestärkt, über diese weite Hochebene, und sehet, wie sich unser Zug hier ausnehmend schnell bewegt. Das himmlische Gewölk kommt uns näher und näher, und schon befinden wir uns unter dem himmlischen Gewölk. Ihr sehet da eine große Mauer, durch welche eine goldene Türe führt, welche aber verschlossen ist. Der Geistliche tritt hinzu und spricht: Meine lieben Kinder, wir haben gebeten, und es ward uns gegeben; wir haben gesucht und haben gefunden. Nun aber kommt es aufs Anklopfen an. Also soll der Träger des Kruzifixes mit dem Kruzifixe zuerst anklopfen, und zwar dreimal im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und die Pforte wird sicher aufgetan werden.
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Es geschieht nach den Worten des Geistlichen. Und wirklich, beim dritten Klopfen öffnet sich die Türe, und Petrus und der Erzengel Michael erscheinen, prüfen noch unsere Gesellschaft und lassen sie dann auch samt und sämtlich in den Himmel ein. Nur werden die gewissen Petrus- und Erzengel-Michael-Attribute hinweggelassen, damit von den in den Himmel Eintretenden wenigstens der erste, gar zu materielle Funke ausgelöscht wird.
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Ihr möchtet wohl wissen, ob das wirklich der Petrus und der Erzengel Michael sei? - Ich sage euch: Solches alles ist nur eine Erscheinlichkeit und wird im Namen des Herrn bewerkstelligt von den Engelsgeistern. So ist auch dieser ganze Himmel gestaltet, und es muß solches alles also sein; denn sonst wäre es nicht möglich, jenen Geistern beizukommen, welche sich in einem oder dem andern irrtümlich begründet haben.
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Darum findet denn auch ein jeder die geistige Welt und den Himmel also, wie er sich alles dieses durch seinen Glauben im Geiste begründlich geschaffen hat, mit Ausnahme des alleinigen Fegefeuers, welches der Herr aus dem Grunde nicht zuläßt, da dadurch den Geistern der größte Schaden zugefügt werden könnte, so sie sich in solch einem kläglichen Befunde dann anstatt an den Herrn nur desto energischer an die Heiligen wenden möchten und auch an die Hilfe der weltlichen Meßopfer. Dies alles aber müßte mit der Zeit den Geist gänzlich töten, weil der Geist in dieser Hinsicht auf die eigene Tätigkeit ganz verzichten würde und würde nur in einem vermittelten oder unvermittelten Erbarmen Gottes seine Seligkeit suchen, was mit andern Worten gesagt nichts anderes hieße, als an sich selbst einen geistigen Mord begehen!
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Ihr fraget hier: Wieso denn? - Solches ist doch leicht einzusehen. Das Leben des Geistes besteht ja einzig und allein in der Liebe desselben und dann in der eben dieser Liebe entsprechenden Tätigkeit.
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Was geschieht wohl mit jemandem, der sich auf der Welt von aller Tätigkeit losgesagt hat? Er wird am Ende ganz entkräftet und so schwach, daß er kaum noch einer Fliege zu widerstehen vermag. Und wenn er dann zufolge solch einer gänzlichen Untätigkeit notwendig in das größte Elend gelangt, so lehrt die Erfahrung auf der Welt nur zu vielfach, daß solche Zustände des Menschen zumeist der Grund von Selbstentleibungen sind. In der geistigen Welt aber würde dadurch ebenfalls ein geistiger Selbstmord geschehen, weil sich dergleichen Leidende durch die Anrufung der Heiligen nicht erlöst erschauen und dadurch dann in den völligen Unglauben und in die gänzliche Verzweiflung übergehen würden, welche aber ist ein wahrhaftiger Geistestod!
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Warum denn? Weil eine Verzweiflung im Geiste so viel besagt als eine vollkommene gewaltsame Lostrennung vom Herrn. Aus diesem Grunde wird ein solcher Zustand sogar in der Hölle nicht zugelassen. Wenn allda das Böse zu sehr tätig wird, so läßt der Herr die Bosheit auch strafen, und das auf das Empfindlichste. Ist aber dadurch die Bosheit wieder eingestellt, so hören auch die Strafe und der Schmerz auf.
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Was jedoch diesen (katholischen) Himmel betrifft, so ist er dem Leben des Geistes nicht hinderlich und kann hier als eine gute, lebendige Schule angesehen werden, in welcher die Geister erst den wahren Himmel zu erkennen anfangen. Auf welche Art aber solches in diesem unserem Himmel vor sich geht, wollen wir bei der nächsten Gelegenheit so gründlich als möglich im Geiste beschauen; und somit gut für heute!