Das Grosse Evangelium Johannes: Band 6
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Der Herr und die Tempelpriester
(Ev.Joh. Kap.5)
- Kapitel 47 -
Judas Ischariot (Ev. Joh. 6, 71)
Ich aber meinte hier offenbar den Judas Ischariot, da Ich schon von Anfang an gar wohl erkannte, wessen Geistes Kind er war. () Aber er hatte dennoch vielen Eifer, war vollauf tätig und konnte gut reden und die Lehre vortragen, und so wurde er denn auch der guten und nicht der schlechten Sache wegen von Mir zu einem Vorsendling mit den andern elfen erwählt. Da er aber als solcher durch seinen ernsten Eifer und durch seine Beredsamkeit mehr ausrichtete in derselben Zeit denn die andern elfe zusammen, so fing er denn auch an, sich viel darauf einzubilden.
2
Als aber dann seinem Hochmute durch manches begegnet wurde, da nagte in ihm immer mehr und mehr ein geheimer Groll, und er wurde darum von Tag zu Tag verschlossener und hatte ein scharfes Auge auf die andern elf Jünger, um bei ihnen einmal etwas zu erspähen, um sie dann vor Mir zur Rede zu stellen. Da aber so etwas nicht vorkam, das ihm zur Kühlung seines Grolles hätte dienen können, so ward er im geheimen stets bitterer und sah sich stets emsiger nach einer Gelegenheit um, seine Brüder irgendeinmal in eine Verlegenheit zu bringen; um ein passendes Mittel nur sann er oftmals bei sich.
3
Er war ein geiziger und geldsüchtiger Mensch, der selbst oft mit aller Beredsamkeit den Besitz des Geldes für etwas höchst Notwendiges fürs irdische Leben darstellte, weil die Weltbeherrscher es eben zur Erleichterung des sonst mühsamen Tauschverkehrs eingeführt hätten.
4
Er sagte auch einmal zum weisen Nathanael, mit dem er noch am meisten sich besprach: daß Ich zum irdischen Leben nun offenbar keines Geldes bedürfe, das sei ganz klar und rein einzusehen; denn mit der göttlichen Allmachtspotenz ausgerüstet, könne man allenthalben ohne Geld durchkommen. Aber Menschen ohne diese Potenz und ohne das Glück zu haben, Meine Jünger zu sein, müßten zum irdischen Lebensunterhalte so gut und notwendig Geld haben wie der Kaiser selbst, um damit zu bezahlen seine Soldaten und andere Staatsdiener.
5
Nathanael bewies ihm zwar immer, daß das Geld dennoch ein großes Übel unter den Menschen sei, obwohl es wie jedes irdische Gut in der Hand eines Gerechten auch zu vielem Guten der Grund sein könne. Aber das Üble werde es stets bei sich behalten, daß es die Gier der Menschen danach sehr erwecken und zumeist die Ursache sein werde von Lastern und Freveln aller Art im Kleinen wie im Großen.
6
Das ließ zwar unser Judas Ischariot wohl gelten, erklärte aber das Geld dennoch also für ein notwendiges Übel, wie auch der Leib für die Seele ein notwendiges Übel sei. Wenn aber die Seele den Leib weise benütze, so sei der Leib für sie auch ein Tempel des Heils, durch den allein sie zum ewigen Leben gelangen und die wahre Kindschaft Gottes erreichen könne.
7
So wußte er durch seine Beredsamkeit überall einen sogenannten Rechtshaken zu finden, und es war schwer, mit ihm zu rechten. Aber er brachte es mit seinen so weit, daß er gleich den Spartanern und Kretensern sogar den Diebstahl als eine im Notfalle gerechte Sache darstellte und den Moses der Schwachsinnigkeit beschuldigte, daß er jeden Diebstahl als eine bare Sünde darstellte. Er bedachte aber nicht, daß selbst der erlaubte, selbst notfälligste Diebstahl mit der Zeit die Menschen zur größten Trägheit verleitet und niemand mehr etwas gearbeitet und gespart hätte, wenn er gewußt hätte, daß, so er irgendeinen Vorrat hätte, solcher bald verraten und ihm von den Notleidenden alsbald abgenommen werden würde. So aber solche Sitte bei den Menschen als erlaubt eingeführt würde, wie sähe es dann mit der Nächstenliebe aus und wie mit einer Erkenntnis Gottes?!
8
Nathanael zeigte dem Judas wohl, daß sich seine Diebstahlsrechtfertigung mit seinen höchst ökonomischen Bestrebungen nicht vertrage und der erlaubte Diebstahl jede noch so gerechte Sparsamkeit zunichte mache. Aber da war er schon wieder mit seiner Versteckklugheit da, und so war mit ihm nichts zu machen. Nur wenn Ich ihm einen Verweis gab, da ließ er dann auf eine Zeitlang von seinen Ideen ab und überließ sich geheim besseren Betrachtungen. Darum gab Ich ihm in der Schule auch noch diesen Stoß, den er wohl bei sich verstand, obwohl die andern Jünger nur mutmaßten, aber dennoch nicht bestimmt mit den Fingern auf ihn zeigen mochten, weil Ich das eben auch nicht wollte, obwohl Ich wußte, was er alles noch tun werde; denn zu seinem Falle mußte auch sein Maß voll werden, und er mußte sich am Ende selbst in sich lebendig überzeugen, daß alle seine irdischen Handlungstendenzen zum abschreckenden Beispiele für alle Menschen grundböse waren, ansonst für seine Seele auch jenseits keine Besserung möglich gewesen wäre.
9
Das ist nun als das Charakteristische dieses Jüngers darum wiedergegeben, um den Grund mehr einzusehen, warum Ich ihn diesmal einen Teufel nannte; denn ihm war es auch am meisten geheim nicht recht, daß Ich in der Schule eine solche Rede hielt, an der sich so viele ärgerten und darum von Mir sich entfernten; denn er hatte mit ihnen schon allerlei Spekulationen geheim bei sich beschlossen und ärgerte sich darum auch geheim am meisten. Ja er machte sogar geheim dem Nathanael die Bemerkung, daß Ich im Hause des Petrus über das Übel der Ärgernisse Mich sehr scharf ausgesprochen hätte, nun Selbst aber Tausende bis zum Grünwerden ärgere, und wie solches hernach mit Meiner Lehre zusammenhinge.
10
Nathanael sagte freilich, daß Ich damals hauptsächlich nur von dem bösen Ärgernis der kleinen Kinder geredet hätte.
11
Aber unser Sophist wußte auch da etwas zu entgegnen, und als Ich etwa um die vierte Stunde des Nachmittags mit den Jüngern die Schule verließ und wieder in unsere gute Herberge zog, da ging Judas Ischariot nicht mit, sondern verlief sich in die Stadt zu einigen Bekannten, wo viel über Meine unverstandene Rede geredet wurde. Aber da zeigte er sich wieder als Mein Jünger und als ein guter Redner und machte ihnen durch allerlei rednerische Kniffe Meine Rede erträglicher, wennschon nicht im rechten Lichte. Wir sahen ihn bei sieben Tage lang nicht, welche Zeit wir uns in und um Kapernaum aufhielten. Aber dann kam er wieder zu uns.