Bischof Martin
Die Entwicklung einer Seele im Jenseits
- Kapitel 128 -
Auf der lichtquellenden Sonne. Der Herr als der Letzte. Martin als Reiseführer
Martin dankt Mir für diesen Auftrag aus vollstem Herzen, bewegt sich dann zur Tür und öffnet sie mit größter Leichtigkeit, obschon sie in ihrer Erscheinlichkeit eine Höhe von zwölf Manneslängen und eine Breite von sechs solchen Längen hat.
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Als die Tür nun offen steht, geschieht aus mehreren tausend Kehlen ein Schrei voll entzückten Entsetzens. Alles fährt mit den Händen vor die Augen, da das Licht in äußerst intensiver Fülle all diesen Gästen entgegenkommt. Niemand getraut sich, auch nur einen Schritt weder vorwärts noch rückwärts zu machen. Denn die meisten sind der Meinung, daß in diesem ungeheuer mächtigen Lichte ganz ungezweifelt die eigentliche Gottheit wohne in aller Urfülle ihrer Macht, Kraft und Weisheit.
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Selbst Martin stutzt diesmal, denn auch ihm kommt dieser Lichtglanz nun bei weitem heftiger vor als die beiden früheren Male. Aber das geniert ihn wenig, daher ergreift er sogleich das Wort und spricht:
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(Martin:) ,,Brüder und Schwestern, fürchtet euch nicht vor dem, was uns nur über die Maßen zu beseligen vom Herrn bestimmt ist! Kommet alle heraus zu mir, denn dies Licht ist ein fester Boden und man kann wandeln darauf wie auf Erz!"
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Borem und Chorel führen nun ihre Weiber hinaus. Diese sind sehr furchtsam, beginnen aber am Ende, durch ihre große Neugierde die Furcht besiegend, dennoch ihre Füße hinaus über die Türschwelle zu setzen. Den Weibern folgen die Mönche und die andern Gäste, als da sind die Eltern der Mönchinnen und auch so mancher Mönche. An diese schließen sich endlich die Chinesen und folgen ihnen überaus sorgfältigen Schrittes.
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Als nun alle draußen sind, folge auch Ich ihnen mit Chanchah und Gella, die sich vor diesem grellsten Lichte anfänglich auch sehr scheuen. Aber an Meiner Seite gibt sich ihre Furcht, und sie betreten ganz behaglich diese neuen Lichtgefilde.
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Nun befindet sich alles auf dem leuchtenden Boden der Sonne, nicht etwa bloß geistig, sondern auch körperhaft genommen. Denn alle Geister aus Meinem obersten Himmel sehen auch jeden naturmäßigen Körper aus- und inwendig, wie er beschaffen ist. Da sie bei Mir sind, so sehen sie durch Mich alles, was da ist in der Geisterwelt und in der Körperwelt genau so, wie Ich es sehe.
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Im Anfang sehen sie wohl eben nicht am besten, weil ihre Augen von einem zu grellen Lichte zu sehr geblendet werden. Aber nach und nach wird es sich schon geben, wie es sich nun zu zeigen beginnt. Denn einige der Gäste fangen schon an, am Boden verschiedene Gegenstände und auch verschiedene Farben zu unterscheiden.
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Die Weiber entdecken sogar einige wunderherrliche Blumen und möchten sich sogar einige pflücken. Aber Borem und Chorel widerraten ihnen, weil das in der Sonne als ein schlimmes Vorzeichen angesehen werde, so zu einer unrechten Zeit an einem Gewächse etwas beschädigt würde; denn da müsse alles in der strengsten Ordnung geschehen.
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Nachdem diese große Gesellschaft unter der Anführung Martins sich schon eine geraume Strecke auf dem Sonnenboden fortbewegt hat und es nun selbst Martin schon ein wenig zu bangen anfängt, macht er eine kleine Rast, begibt sich zu Mir und spricht:
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(Martin:) ,,O Herr, o Vater, nach meinem Gefühle haben wir uns von meinem Hause nach irdischem Maße nun wohl schon über 1000 Meilen Weges entfernt und haben außer einigen Blumenstauden noch nichts zu Gesicht bekommen. Wie weit und wie lange werden wir wohl noch zu wandeln haben, bis wir irgendein bestimmtes Ziel werden erreicht haben?
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Ich muß es offen gestehen: auf dieser gar zu lichten Welt möchte ich eben nicht gerne zu lange zubringen, so man auf ihr nichts als Licht und einige Blumenstauden zu Gesicht bekommt! Es ist nur gut, daß diese Lichtglut nicht brennt und unsere geistigen Augen nicht mehr gleich den fleischlichen entzündbar sind, sonst wäre es geschehen um sie! Ich gehe wohl voran; aber was nützt mein Vorangehen, so ich nicht weiß, wohin? Daher gehe, o Herr, lieber Du voran, da werden wir alle am ehesten zum rechten Ziel gelangen!"
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Rede Ich: ,,Mein Sohn Martin, gehe du nur vorwärts auf dem Boden des Lichtes, geduldig und unverdrossen; es wird das Ziel unserer Wallfahrt schon kommen! Weißt du denn nicht, daß die Sonne millionenmal größer ist denn die Erde? So aber schon große Geduld und viel Selbstverleugnung dazu gehört, auf der Erde große Reisen zu machen, so gehört hier auf der Sonne, deren Boden ein gar weitgedehnter ist, doch sicher noch bei weitem mehr Geduld dazu, solch weite Gefilde zu bereisen. Daher gehe du nur wieder als Führer voran; wir alle werden dir schon gleichen Schrittes folgen!
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Ich kann hier aber aus dem Grunde nicht vorangehen, um fürs erste niemanden von euch allen in seiner Freiheit zu beirren. Und fürs zweite, so Ich voranginge und es kämen uns die Bewohner dieser Lichtwelt entgegen, da würden sie Mein Wesen mit ihrem sehr hellen Geiste nur zu bald erkennen, dabei aber zugleich verschmachten vor zu großer Hochachtung vor Mir! Gehe Ich aber ganz zuletzt hinter euch her, so macht das nichts. Denn bei diesen Sonnenbewohnern ist das Erste allzeit das Vorzüglichste. Was aber zuhinterst sich befindet, das beachten sie wenig oder gar nicht! Und siehe, so bin Ich zuhinterst am besten plaziert!
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Wir befinden uns noch auf einem überaus hohen Gebirge. Werden wir nun aber bald hinab in ein Tal kommen, dann wird das Licht schon milder werden. Dort wirst du Massen von Menschen erschauen und vollauf zu tun bekommen, sowie alle die hier mit uns wandeln. Daraus wirst du dann erst den wahren Zweck unserer Reise erschauen. Nun aber gehe nur wieder auf deinen Posten und verrichte deinen Führerdienst!"
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Martin dankt Mir für diesen Auftrag, geht sogleich wieder vor die Gesellschaft und gibt ihr ein Zeichen, ihm zu folgen. Alles erhebt sich und folgt ihm.