Die unzähmbare Zunge
(Psalm 64,1-10)
1
Meine Brüder, tretet nicht zu sehr als Lehrer auf. Ihr wißt ja, daß wir uns damit nur ein desto strengeres Gericht zuziehen.
2
In vielem verfehlen wir uns alle. Wer sich im Wort nicht verfehlt, ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib im Zaum zu halten.
3
Wenn wir den Pferden Zügel in die Mäuler legen, damit sie uns gehorchen, lenken wir auch ihren ganzen Leib.
4
Seht, mögen die Schiffe auch noch so groß sein und von noch so starken Stürmen hin und her getrieben werden, so lassen sie sich doch durch ein kleines Steuerruder dahin lenken, wohin der Steuermann es will.
5
So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich doch großer Dinge. Seht, ein wie kleines Feuer einen großen Wald in Brand steckt!
6
Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voller Unrecht. Die Zunge erweist sich unter unseren Gliedern als die Macht, die den ganzen Leib befleckt, ja, von der Hölle entflammt, das Lebensrad in Brand steckt.
7
Der Mensch vermag alle Arten von Landtieren und Vögeln, von Kriechtieren und Wassertieren zu bändigen und bändigt sie auch, -
8
aber die Zunge vermag kein Mensch zu bezähmen; sie ist ein ruheloses Übel voll todbringenden Giftes.
9
Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die nach Gottes Ebenbild geschaffen sind;
10
aus demselben Mund kommt Segen und Fluch. Meine Brüder, das darf nicht sein!
11
Läßt etwa eine Quelle aus derselben Öffnung süßes und bitteres Wasser hervorsprudeln?
12
Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? - Eine Salzquelle kann auch nicht süßes Wasser spenden.
Himmlische versus dämonische Weisheit
13
Wer ist unter euch weise und verständig? Er zeige durch guten Wandel seine Werke in weiser Sanftmut.
14
Wenn ihr aber bittere Eifersucht und Streitsucht in euren Herzen hegt, rühmt euch nicht - lügt nicht gegen die Wahrheit!
15
Diese Weisheit kommt nicht von oben herab, sie ist vielmehr irdisch, sinnlich, ja teuflisch.
16
Denn wo Eifersucht und Streitsucht herrschen, ist Unfriede und jegliche Verkehrtheit.
17
Die Weisheit von oben aber ist vor allen Dingen lauter, dann friedsam, freundlich, folgsam, voll Erbarmen und guter Früchte, ohne Parteilichkeit und ohne Verstellung.
18
Die Frucht der Gerechtigkeit wird aber für die Friedenstifter in Frieden gesät.