Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 81 -
Was ist Hurerei?
Man könnte hier sagen, indem es im sechsten Gebote nur heißt: ,,Du sollst nicht Unkeuschheit treiben", daß da die Hurerei nicht als verboten angesehen werden kann, da es im sechsten Gebote nirgends heißt: Du sollst nicht Hurerei treiben. - Ich aber sage: Was ist die Hurerei, welcher Art sie auch sein mag, geistig oder fleischlich? Sie ist eine sichere Anbequemung des Lasters, und zwar auf folgende Weise: Man philosophiert sich über die sündige Möglichkeit hinweg, setzt alle Erscheinungen in das Gebiet ,,natürlicher Bedürfnisse". Wenn jemandem seine eigene Wesenheit die Forderung kundgibt, sie zu befriedigen, so tut der Mensch zufolge seines Verstandes und seiner Erfindungskraft ja nur etwas Lobenswertes und Ersprießliches, so er für alle zu fordernden Bedürfnisse seiner Natur Mittel zustande bringt, durch welche denselben Genüge geleistet werden kann. Das Tier muß zwar seine Bedürfnisse in der rohesten instinktmäßigen Art befriedigen, weil es keinen Verstand, keine Vernunft und keinen Erfindungsgeist hat. Dadurch aber erhebt sich ja eben der Mensch über das gemein naturmäßig Tierische, daß er allein den Anforderungen seiner Art auf eine raffinierte Weise Genüge leisten kann. Daher sagt der Verstand des Kulturmenschen:
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Wer kann einem Menschen zur Sünde rechnen, so er sich mit Hilfe seines Verstandes ein stattliches Haus zur Bewohnung erbaut, und somit ein ehemaliges Erdloch oder einen hohlen Baum mit demselben vertauscht? Wer kann einem Menschen zur Sünde anrechnen, so er die Baumfrüchte veredelt, aus den sauren Äpfeln und Birnen süße und wohlschmeckende erzeugt? Wer kann einem Menschen zur Sünde anrechnen, wenn er sich einen Wagen erbaut, das Pferd zähmt, und dann viel bequemer eine Reise macht als mit seinen eigenen schwachen, leidigen Füßen? Wer ferner kann noch dem Menschen zum Fehler anrechnen, so er sich die Naturfrüchte zu seiner Nahrung kocht und würzt und sie ihm wohlschmeckender macht? Oder sind die Dinge in der Welt für einen anderen als für den Menschen erschaffen worden, damit er sie zweckdienlich benützen sollte? -
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Wie viel Schönes und Nützliches hat der Mensch zu seiner Bequemlichkeit und zu seiner Erheiterung! Sollte ihm das zum Fehler angerechnet werden, so er durch seinen Verstand seinem Schöpfer Ehre macht, ohne den der Weltkörper so unkultiviert dastände wie eine barste Wüste, auf der alles durcheinanderwüchse in chaotischer Unordnung wie Kraut, Rüben und Brennesseln?
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Wenn aber dem Menschen die verschiedenartige Kultivierung des Erdbodens doch unmöglich zu einem Fehler angerechnet werden kann, obschon sie in sich durchaus kein anderes Zweckdienliches enthält als den angenehmeren und bequemeren Genuß der Dinge in der Welt; so wird doch andererseits auch ein raffinierter Zeugungsgenuß dem Menschen mitnichten können zum Fehler angerechnet werden, indem sich sonst selbst der gebildetste Mensch in diesem Akte am wenigsten von dem Tiere unterschieden hat. Also auch dieser Trieb des Menschen muß auf eine veredeltere und raffiniertere Weise befriedigt werden können, und das aus demselben Grunde, aus welchem man sich bequeme Wohnhäuser erbaut, weiche Kleider verfertigt, geschmackvolle Speisen bereitet, u. dgl. Annehmlichkeiten mehr.
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Man nehme nur den Fall, ein Mensch gebildeten Standes hat zu seiner Befriedigung die Wahl zwischen zwei Weibspersonen, die eine ist eine schmutzige, gemeine Bauernmagd, die andere aber als die Tochter eines ansehnlichen Hauses ist ein wohlerzogenes, sehr nett gekleidetes, am ganzen Leibe makelloses und sonst üppiges und reizendes Mädchen. Frage: Wonach wird der gebildete Mann greifen? Die Antwort wird hier kein Kopfzerbrechen brauchen; sicher nach Nr. 2, denn vor Nr. 1 wird es ihm ekeln. Also ist auch hier eine Verfeinerung sicher am zweckdienlichsten Platze, weil der Mensch durch sie beurkundet, daß er ein höheres Wesen ist, welches alles Unangenehme und Schmutzige zu reinigen und angenehmer darzustellen die volle Macht und Kraft in sich hat.
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Da aber der Mann wie das Weib in dieser Hinsicht ein öfteres Bedürfnis sich zu befriedigen in sich stark wahrnehmen, wobei man doch nicht allezeit die Anforderung machen kann, ein Kind zu erzeugen, wird es da wider die Gebühr der Ausübung seiner Verstandeskräfte sein, wenn er die Mittel aufstellt, durch welche die Befriedigung dieses Triebes zuwege gebracht werden kann, sei es nur durch den blinden Beischlaf mit den Weibern oder durch Selbstbefriedigung oder im Notfalle durch die sogenannte Knabenschändung? Denn dadurch unterscheidet sich ja eben auch der Mensch von dem Tiere, daß er diesen am meisten naturmäßigen Trieb auf anderen Wegen befriedigen kann als gerade auf jenen nur, auf die er von der rohen Natur angewiesen wurde. Und sonach sind ja ganz besonders wohlkonditionierte Bordellhäuser und dergleichen Anstalten mehr zu billigen, und können dem Verstande des Menschen keineswegs zur Unehre, sondern nur zur Ehre gereichen!?
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Sehet, was läßt sich, naturmäßig betrachtet, allem dem entgegen einwenden? Denn das ist richtig, daß das Tier dergleichen Kultivierungen und allerlei Nuancierungen in der Befriedigung seines Geschlechtstriebes nimmer zuwege bringen kann; und so ist darin gewisserart eine Meisterschaft des menschlichen Verstandes unleugbar zu entdecken. Das alles ist richtig, das Tier hat in allem dem seine Zeit, außer welcher es stumpf für die Befriedigung dieses Triebes bleibt.
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Aber was ist alle diese Raffinesse? Das ist eine kurze Frage, aber ihre Beantwortung ist groß und gewichtig. - Diese Raffinesse hat doch sicher nichts anderes zum Grundmotive als die entsetzlich leidige Genußsucht. Die Genußsucht aber, wissen wir, ist ein unverkennbares Kind der Eigenliebe, welche mit der Herrschliebe ganz identisch einhergeht.
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Es ist wahr, in einem stattlichen Hause läßt sich angenehmer wohnen denn in einer niedrigen Erdhütte. Betrachten wir aber die Einwohner! Wie stolz und hochtrabend sehen wir den Bewohner eines Palastes einhergehen, und wie zerknirscht beugt sich der schlichte Hüttenbewohner vor einem solchen glänzenden Palastherrn!
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Betrachten wir die Bewohner einer großen Stadt und dagegen die eines kleinen Bauerndorfes. Die Bewohner der großen Stadt wissen sich vor lauter Genußsucht nicht zu helfen, alle wollen angenehm leben, alle sich unterhalten, alle glänzen und womöglich ein bißchen herrschen. Kommt ein armer Landbewohner in die große Stadt, so muß er wenigstens einen jeden Stiefelputzer usw. ,,Euer Gnaden" anreden, will er sich nicht irgendeiner Grobheit aussetzen.
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Gehen wir aber ins Dorf, da werden wir noch Hausväter antreffen, nicht selten friedliche Nachbarn, welche sich nicht ,,Euer Gnaden" und ,,Herrn von" titulieren. Was ist da wohl vorzuziehen, wenn ein Bauer zum andern spricht: ,,Bruder!" oder wenn in der Stadt ein nur wenig Bemittelter einen etwas mehr Bemittelten ,,Euer Gnaden" und ,,Herr von" und dgl. mehr anspricht?
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Ich meine, es wird kaum nötig sein, dergleichen unsinnige Ausgeburten der Raffinesse des menschlichen Verstandes noch weiter zu verfolgen, sondern wir können sogleich den Hauptspruch machen: Alle derartige genußsüchtige Verfeinerungen sind nach vorangehender Betrachtung nichts als Abgöttereien; denn sie sind Opfer des menschlichen Geistes an die äußere tote Naturmäßigkeit.
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Sind sie aber Abgöttereien, so sind sie auch die barste Hurerei, und daß sie nicht in die Sphäre der Keuschheit aufgenommen werden können, beweist ihre Tendenz.
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Warum wurde Babel eine ,,Hure" genannt? Weil dort jede erdenkliche Raffinerie zu Hause war. Also heißt auch ,,die Hurerei treiben" im eigentlichen Sinne: der Unkeuschheit dienen nach aller Lebenskraft. So ist ein reicher Ehemann, der sich des alleinigen Genusses wegen ein üppiges und geiles Weib genommen hat, nichts als ein barster Hurer und das Weib eine barste Hure. Und eben also wird auch hier diesen Kindern die Unkeuschheit in ihrem Fundamente gezeigt, wie sie nämlich eine allerbarste Selbst- und Genußsucht ist.
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Es war notwendig, dieses Gebot für euch gründlicher zu beleuchten, weil sich der Mensch über kein Gebot so leicht hinwegsetzt wie über dieses. - Ich meine daher, daß ihr nun auch diesen Vortrag verstehet; und so wollen wir uns denn auch sogleich in den siebenten Saal begeben. -