Die Geistige Sonne
Band 2
Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits
- Kapitel 115 -
Früchte, die für die Hölle reifen
Gehen wir auf unsere ,,züchtige" Jungfrau zurück und folgen ihr abermals in eine Gesellschaft, wo sie zufolge ihrer weiblichen Reize die Königin spielt. Ihr Geliebter findet sich auch in dieser Gesellschaft ein. Was tut aber nun seine Favoritin? Gibt sie sich etwa mit ihm ab? O nein, dagegen mit einer Menge anderer Gesellschaftsbesucher, von denen sie sich über Hals und Kopf, wie ihr sagt, den Hof machen läßt. Aus welchem Grunde eigentlich?
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Ich sage, weil ich die Welt sehr genau kenne: Sie tut das nicht etwa deshalb, um ihrem erwählten Liebhaber untreu zu werden, sondern nur um ihm zu zeigen, welchen enormen Wert sie hat. Sie sagt ihm dadurch gewisserart indirekt: Erkenne aus dieser Erscheinung, welch einen Millionenschatz du an mir hast!
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Der Liebhaber aber, weil er nicht im Besitze der Allwissenheit ist, faßt die Sache von einem andern Gesichtspunkte auf, er wird bald düster und wendet seine Augen ab von der Stelle, wo sich seine Geliebte den Hof machen läßt. Wirft er auch noch verstohlene Blicke auf den verhängnisvollen Punkt, so sind diese schon voll brennender Eifersucht.
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Unsere Jungfrau merkt dieses, bessert sich aber dadurch nicht im geringsten. Wohl aber fängt sie an, ihr Spiel noch ärger zu treiben, um sich an ihrem Liebhaber zu rächen, der gerade da ihren hohen Wert zu verkennen anfing, wo sie ihn am meisten vor ihm entfalten wollte. Bei dieser Gelegenheit sucht der Liebhaber so früh als möglich sich von der Gesellschaft zurückzuziehen, mit dem Vorsatz im Herzen: Warte Kanaille! Wenn wir nur einmal noch unter vier Augen zusammenkommen, da werde ich dir meine Meinung auf eine Art bekanntgeben, an die du denken sollst! Denn nun verlange ich nichts mehr, als mich nach Gebühr für deine Untreue an dir zu rächen.
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Sie kommen zusammen, und die Frucht dieser Zusammenkunft sind die brennendsten Vorwürfe. Eine Liebescheidung ist meist die Folge, nur selten eine Wiedervereinigung, welche aber ebensowenig mehr Stand hält wie die erste Liebe. Nichtwiedervereinigung und Vereinigung gehen hier immer auf dasselbe hinaus; denn vereinigen sie sich wieder, so dient diese Wiedervereinigung gewöhnlich dazu, sich beiderseitig den Wert möglichst noch fühlbarer zu machen, und so ist eine solche Wiederliebe meistens nichts anderes als eine verkappte Rache. Und vereinigen sie sich nicht, so werden sie gegenseitig auch jede Gelegenheit suchen, wo eins das andere darin zu übertreffen sucht, seine Verachtung auf das Unbarmherzigste fühlen zu lassen.
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Die Jungfrau setzt sich bald aus lauter Rache über alle Schranken des Schamgefühls hinweg und wird eine Kokette. Kriecht da der alte Liebhaber nicht zu Kreuze, was sie wünscht, so wird sie aus demselben Rachegefühl eine Hure, worauf der Liebhaber den letzten Rest seines alten Gefühls aus seinem Herzen verbannt. Und hat unsere ehedem schamhafte Jungfrau den süßen Stachel der Wollust verkostet, so bringt sie, wie ihr zu sagen pflegt, kein Gott mehr auf die Bahn der Tugend zurück. Wird sie dadurch unglücklich, so wälzt sie im vollen Grimme ihres Herzens zumeist alle Schuld auf jenen ersten Liebhaber, der ihre Absicht und ihre erste Tugend schändlich verkannt habe.
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Was ist aber das hernach? Es ist nichts anderes als die schon völlig entwickelte Frucht des erst so hoch gepriesenen weiblichen Schamgefühls. Der Name der Frucht lautet: Unterste vollkommene Hölle! oder auch: Vollkommen reife Hölle, wenn die äußere Schale abfällt! Denn was würde eine solche unglückliche Jungfrau demjenigen alles antun, den sie, wenn auch irrig, als den Grund ihres Unglückes ansieht?
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Wenn es ihr möglich wäre, im Augenblicke ihrer freien Wut ihn von tausend glühenden Schlangen zerstückt zu sehen, so würde diese Rache kaum ein kühlender Tautropfen auf ihr wutentflammtes Herz sein.
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Wer das nicht glauben möchte, der besuche eine solche unglückliche Jungfrau und lasse sich mit ihr in ein Gespräch über den bewußten Gegenstand ihres Unglückes ein. Er wird im besten Falle aus dem weiblichen Munde sobald gleichsam alle Vulkane der Erde sprühen sehen; im schlimmeren Falle aber wird es heißen: Ich bitte, mich damit zu verschonen! Wenn ihr solches vernommen habt, so könnt ihr schon denken, um welche Zeit es ist. - Wir hätten nun so weit die Früchte beleuchtet, wie sie für die Hölle reifen; nächstens aber werden wir die Sache spezieller beleuchten. -