Das Grosse Evangelium Johannes: Band 5
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre
Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi
Ev. Matth. Kap. 16 (Fortsetzung)
- Kapitel 31 -
Roklus preist die Gottlosigkeit und das Nichtsein
1
(Roklus:) ,,Ich habe viel mit Juden verkehrt und kenne alle ihre Gesetze vielleicht besser als so mancher von ihnen; denn mir lag daran, sie genauest kennenzulernen. Ein altes Sprichwort sagt zwar: ,Wer sucht, der findet!`, - aber bei mir hat sich dieser Spruch bisher noch nicht bewahrheiten wollen; denn ich fand stets nur das, was ich nicht gesucht habe. Ich habe die echte und wahre Gottheit gesucht, und das mit vielem Fleiße und mit vielen Aufopferungen von Geldmitteln, Mühen und Strapazen aller Art, und das auch stets nüchternen Geistes und Verstandes, - fand aber nichts, gar nichts als Menschentrugwerk aller Art und Gattung, wo von einer wahren Gottheit nicht ein Sonnenstäubchen groß herausgeschaut hat. Überall fand ich im besten Falle entweder den patriarchalischen Autoritätsglauben, aber stets in einen ganzen Urwald von Mystik eingehüllt, oder im schlimmeren Falle den leichtsinnigsten Aberglauben oder im gar allerschlimmsten Falle den tollsten Glauben aus politisch knechtischem Zwange, unter dessen Ägide () es am Ende selbst einem von Natur aus mit den hellsten Anlagen versehenen Geiste nicht mehr möglich wird, sich über dem Schlamme der krassesten Dummheiten zu erhalten. Er wird euch ein Heuchler und ein Scheusal in seinen höchst eigenen Augen werden; denn etwas Scheußlicheres und Elenderes kenne ich nicht gegen die hohe Würde eines Menschengeistes, auf ein von seiten eines mächtigen Tyrannen sanktioniertes Gesetz hin annehmen zu müssen, daß am Tage nur stets der Mond leuchtet und den Tag bewirkt und in der Nacht aber die Sonne; und wer das nicht glaubt, dem werden die Augen ausgestochen, Nase und Ohren abgeschnitten und die Zunge aus dem Munde gerissen. Das ist der erste Grad der Strafe für den Unglauben.
2
Glaubt ein so verstümmelter Mensch dann noch nicht, was ihm zum Glauben vorgestellt wird, so wird der Ungläubige auf ein rauhstes Querholz ganz nackt an Händen und Füßen - sage - angenagelt, darauf wird ihm der Bauch nach kreuz und quer aufgeschlitzt, und es werden dann ausgehungerte Hunde hinzugelassen, die dem Ungläubigen bei noch völlig lebendigem Leibe Gedärme und Eingeweide aus dem Leibe herausreißen und auffressen! Wer das etwa nicht glauben könnte, der reise nach Indien, und er wird nicht nur das, sondern noch tausendfach Ärgeres antreffen, was sich die Menschen selbst antun müssen. Und würde sich jemand weigern, sich selbst die scheußlichste Marter als Büßer anzutun, dem wehe, wehe, wehe, - dem ist der Tod mit tausend Eiden geschworen, natürlich der allergrausamsten und verzweiflungsvollsten Art! Und, Freund, dahinter solle irgendeine höchst weise, höchst gute, gerechteste und allmächtige Gottheit verborgen sein? So ich ein zehnfacher Narr würde, so wäre mir so etwas anzunehmen dennoch unmöglich!
3
Darum höret mir auf mit allem Göttertume! Die Menschen benötigen ewig keines Gottes, wohl aber der wahren philanthropischen Philosophie und einer auf Vernunftprinzipien gegründeten Humanität, und sie werden dadurch selbst ganz vollendet vollkommene Götter. Mit der reinen Vernunft und mit ihrem geweckten Forschungsgeiste werden die scharf sehenden und fein fühlenden Menschen der großen Schöpferin Natur bald recht viele und wichtige Geheimnisse ablauschen und wunderbare Taten zustande bringen, von denen keinem von uns noch je etwas geträumt hat, und die Menschen werden ohne die alten, dummen Götter ganz überaus glücklich untereinander im Handel und Wandel leben, und der physische Tod, hinter dem sie zwar weder ein Elysium, noch weniger irgendeinen allerwahnsinnigsten Tartarus in ihrer reinen Phantasie schauen und erwarten werden, wird ihnen sicher eine viel geringere Angst machen denn so, wo sie nach der Ablegung des Leibes erst die rechte und allerscheußlichste Kalamität für ewig dauernd erwartet.
4
Ich war Ewigkeiten nicht; fühle ich etwa eine Traurigkeit deshalb, daß ich nicht war? Also werde ich um dies tolle Sein sicher noch weniger etwas von einer lästigen Traurigkeit fühlen im Zustande meines abermaligen und völligen Nichtseins. Ich halte das völlige Nichtsein für den glücklichsten Stand eines einmal dagewesenen Menschen; das Sich-daseiend-Fühlen selbst in den glücklichsten Zuständen ist schon an und für sich schlechter, weil mit dem glücklichsten Dasein auch die Furcht mit da ist, entweder in ein unglückliches Dasein gar leicht geraten zu können oder mit dem Tode dereinst den höchst glücklichen Zustand doch offenbarst und sicherst verlieren zu müssen.
5
Das vollkommene Nichtsein hat weder das Glück zu genießen, noch desselben sicher kommenden Verlust schon im voraus zu betrauern. Einen rechten Philosophen meiner Art wird daher kein Tod, den die Natur gibt, schrecken, wohl aber ein Martertod! Denn darum hat die liebe Natur den Menschen ja etwa doch nicht hervorgebracht aus irgendeinem in ihrem Erdhumus erzeugten Stoffe, damit er sich martern lassen solle von seinesgleichen!? Kurz, ich sehe in dem Wirken der Natur sehr viel Weises, obwohl ich gerade auch nicht jede Wirkung der rohen Naturkraft für unbedingt allerweisest und zweckmäßigst halte; aber ich werde darüber nie eine Klage erheben."